Zu geringe Rückkaufswerte bei Kündigung

BGH-Urteil zu unzulässigen Klauseln in Lebensversicherungen

  • Lesedauer: 5 Min.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun auch Vertragsklauseln der Generali Lebensversicherung wegen zu geringer Rückkaufswerte für unzulässig erklärt (siehe auch nd-ratgeber vom 21. November 2012). Wer einen Nachzahlungsantrag stellen will, sollte das noch vor Jahresende tun.

Schon in zwei Fällen hat der Bundesgerichtshof sogenannte Rückkaufswerte für Lebensversicherungen als zu niedrig eingestuft. Kunden - auch anderer Versicherer - können daher auf höhere Erträge hoffen.

Weitere Urteile gegen Ergo, Iduna und Allianz zu erwarten

Das ist ein Erfolg der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie hatte insgesamt fünf Verbandsklagen gegen deutsche Lebensversicherer wegen zu geringer Rückkaufswerte erhoben. Nach und nach fallen nun die Urteile.

Nachdem der Bundesgerichtshof im Juli entsprechende Vertragsklauseln des Deutschen Ring für unzulässig erklärt hat, hat er diese Entscheidung im Oktober auch auf die Generali Leben übertragen. Damit scheinen die Ausgänge der übrigen Verfahren gegen die Unternehmen Ergo und Iduna, die im November und Dezember angesetzt sind, vorhersehbar. Im kommenden Jahr steht eine Entscheidung zu Verträgen der Allianz an.

In allen Klagen geht es um das gleiche Problem: Bei Kapitallebensversicherungen und privaten Rentenpolicen haben die Unternehmen in den Jahren 2001 bis 2007 unzulässige Vertragsbedingungen formuliert. Die Abschlusskosten wurden so auf die ersten Jahre der Vertragslaufzeit verrechnet, dass sich nur ein geringer oder gar kein Rückkaufswert ergeben hat, wenn der Kunde den Vertrag vorzeitig gekündigt hatte.

Das mag auf den ersten Blick als ein Randproblem erscheinen, doch tatsächlich wird etwa jeder zweite Lebensversicherungsvertrag vorzeitig, das heißt vor Ablauf der Police, vom Versicherten gekündigt.

Worum geht es im Einzelnen? Der Bundesgerichtshof hat am 17. Oktober 2012 auf die Klage der Verbraucherzentrale gegen den Versicherer Generali entschieden, dass die vom Unternehmen verwendeten Klauseln zum Rückkaufswert und zum Stornoabzug im Falle der Kündigung von Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen unwirksam sind (Az. IV ZR 202/10). Nach dem Urteil gegen den Versicherer Deutscher Ring (Az. IV ZR 201/10) ist dies schon die zweite Entscheidung des höchsten Gerichts zu entsprechenden Klauseln.

Millionen Versicherte Anspruch auf Nachzahlung

»Millionen Versicherte haben damit Anspruch auf Nachzahlung, denn die Urteile haben Signalwirkung für die gesamte Versicherungsbranche«, sagt eine Sprecherin der Verbraucherzentrale (VZ) in Hamburg mit Blick auf die noch anstehenden Urteile gegen die Versicherer Ergo, Iduna und Allianz.

»Wir schätzen die Summe, die von der Versicherungswirtschaft an ihre ehemaligen Kunden erstattet werden muss, auf rund zwölf Milliarden Euro.« Die Finanzbranche geht allerdings von geringeren Beträgen aus. Immerhin hat aber auch die Allianz laut Medienberichten bereits 117 Millionen Euro für diese Rechtsrisiken zurückgestellt.

Die Versicherer werden von Verbraucherschützern zum Rückruf der Verträge aufgefordert und zur eigenständigen Erstattung der den Kunden zustehenden Beträge. Damit ist aber nicht zu rechnen. Unmittelbar vollstreckt können die Urteile nämlich nur gegen den Deutschen Ring und gegen Generali werden. In der Vergangenheit haben viele Konzerne Urteile solange ignoriert, bis sie selber unmittelbar juristisch betroffen waren. Vorsorglich sollten Kunden daher ihre Ansprüche gegenüber ihrem Versicherer anmelden.

Betroffen sind Versicherte, die ihre Lebens- oder private Rentenversicherung vorzeitig kündigen mussten. Damit sind sie übrigens kein Einzelfall. Nicht aus Leichtsinn wird im Regelfall aufgegeben, sondern weil plötzlich weniger Geld zur Verfügung steht - durch die Trennung vom Lebenspartner, durch Arbeitslosigkeit oder den Kauf einer Wohnimmobilie.

Doch mit der Kündigung kam bald die Enttäuschung: Viele Betroffene erhielten von ihrem eingezahlten Geld kaum etwas zurück. Schuld sind die hohen Abschlusskosten und deren für die Versicherten nachteilige Verrechnung durch die Unternehmen. Versicherungsnehmer zahlen nämlich mit ihren Prämien zunächst die Provisionen für die Vertreter, bevor es überhaupt mit dem Sparen beginnt. Das Ergebnis sind (zu) geringe Rückkaufswerte, wenn der Vertrag vorzeitig gekündigt wird. Das ändert sich durch die Urteile des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe.

Fristen beachten: Verträge seit 1. Januar 2009

Der Deutsche Ring will seine Kunden im November benachrichtigen. Generali will erst noch die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, um zu prüfen. In berechtigten Fällen will man dann »den Maßgaben des Urteils nachkommen«, erklärt ein Firmensprecher.

Generell ist das Urteil für alle Kunden von Versicherern interessant, die seit dem 1. Januar 2009 eine Abrechnung ihrer aufgelösten Verträge erhalten haben. Davor gekündigte Verträge fallen schon unter die Verjährungsfrist von drei Jahren.

Wer also einen Nachzahlungsanspruch für 2009 geltend machen will, sollte das noch vor Jahresende tun. Verträge, die ab dem 1. Januar 2008 abgeschlossen wurden, haben das Problem zu geringer Rückkaufswerte nicht. Sie sind nach dem neuen Versicherungsvertragsgesetz geschlossen, das einen höheren Mindestrückkaufwert verlangt. Auch zu diesem Mindeststandard hatten höchstrichterliche Schiedssprüche gegen die Assekuranz beigetragen.

Zwei Tipps

1. Wem das alles zu schnell geht, kann die Verjährung hemmen, indem er sich noch in diesem Jahr - kostenlos - an den Ombudsmann für Versicherungen wendet:

Postfach 080632
10006 Berlin
Telefon (0800) 36 960 00
E-Mail beschwerde@versicherungsombudsmann.de

2. Auch Ihre Versicherung hat Sie über den Tisch gezogen, und Ihnen wurde womöglich ein zu geringer Rückkaufswert ausgezahlt? Dann können Sie mit einem Musterbrief der Verbraucherzentrale Hamburg (www.vzhh.de; Download 90 Cent) einfach Ihre Forderungen gegenüber dem Versicherer erheben.

*

Nebenbei bemerkt: Trotz des Erfolges plagen auch den Kläger Sorgen. Denn die Gerichtsprozesse sind mit erheblichen Kosten verbunden, für die die gemeinnützige Verbraucherzentrale Hamburg über Jahre in Vorleistung gegangen ist. In 2012 zahlten rund 200 glückliche Versicherte für die Prozesse 7145 Euro an Spenden ein.

HERMANNUS PFEIFFER

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