Rentenkonzepte untauglich gegen Altersarmut
Verband kritisiert Pläne der Parteien als Schwächung des Rentensystems
Der Bundesverband der Rentenberater sieht weder in den Plänen der Regierungskoalition noch in den Vorschlägen der SPD tragfähige Lösungsansätze, um die strukturelle Krise der Altersversorgung in Deutschland zu überwinden und massenhafte Altersarmut zu vermeiden. Sowohl die von der CDU angestrebte »Lebensleistungsrente« als auch die »Solidarrente« der SPD würden das System der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) letztlich schwächen, so Verbandspräsident Martin Reißig am Mittwoch bei einem Pressegespräch in Berlin. Außerdem seien die Hürden für die Aufstockung der monatlichen Rente auf 850 Euro viel zu hoch und somit »wirklichkeitsfremd«. Reißig warnte auch vor der Illusion, dass ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde das Problem der drohenden Altersarmut entschärfen könnte. Ohne weitere Schritte zur Stabilisierung des Renteniveaus entstünden bei dieser Entlohnung selbst nach 40 Versicherungsjahren nur Ansprüche auf eine monatliche Rente von 610,69 Euro - also deutlich unterhalb der Grundsicherung.
Als fatalen Irrweg sieht der Verband auch die von der damaligen rot-grünen Bundesregierung durchgesetzte Einführung geförderter, kapitalgedeckter Zusatzversicherungen (»Riester-Rente«) in die Altersvorsorge. Hohe Vorlaufkosten seitens der privaten Versicherer und die Entwicklungen am Kapitalmarkt führten dazu, dass mit den Renditen derartiger Policen nicht einmal die Inflation abgedeckt werde, so Reißig. Zudem seien die Menschen, die eine Zusatzvorsorge am dringendsten bräuchten, am wenigsten in der Lage, sie zu finanzieren. Dies gelte auch für Betriebsrenten, bei denen es sich meist ebenfalls um kapitalgedeckte Leistungen handle, die durch zusätzliche Lohnabzüge finanziert würden.
Der Verband fordert vor allem die Wiedereinführung der Rentenberechnung nach Mindestentgeltpunkten. Dieses Instrument zur Vermeidung von Altersarmut wurde 1991 abgeschafft. Die Rentenansprüche von Geringverdienern könnten bei diesem Modell auf 75 Prozent der Durchschnittswerte hochgerechnet werden. Voraussetzung wären 35 Versicherungsjahre. Für deren Ermittlung müssten dann allerdings nicht nur Kindererziehungszeiten, sondern auch Phasen der Ausbildung und der Erwerbslosigkeit voll angerechnet werden. Zur Stabilisierung des Systems müssten ferner das bisherige Rentenniveau beibehalten und Möglichkeiten zur Auffüllung von Beitragslücken wieder eingeführt werden.
Um das zu finanzieren, schlägt der Verband unter anderem vor, auf Beitragssenkungen zu verzichten. Allein durch die jetzt beschlossene Reduzierung um 0,2 Prozentpunkte würden der GRV sechs Milliarden Euro pro Jahr entzogen, während die durchschnittliche Entlastung der Beitragszahler lediglich sieben Euro netto pro Monat betrage, so Reißig. Große Spielräume würden ferner entstehen, wenn die staatlichen Fördersummen für Riester- und Betriebsrenten direkt in die Versicherungskasse flössen.
Langfristig sieht der Verband allerdings die Notwendigkeit, die reine Lohnbezogenheit der Rentenkasse zu überwinden. Schließlich habe sich die »gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung längst vom Faktor Arbeit in Richtung Faktor Kapital verschoben«, betonte Reißig. Daher sei die Finanzierung auskömmlicher Grundrenten durch ein steuerfinanziertes System »letztendlich gerechter«. Doch bislang scheue sich die Politik, das »heiße Eisen anzupacken«.
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