BLOGwoche: Der Sender gibt, der Sender nimmt
Vor einigen Tagen half RTL wieder Kindern in Not. Spendenmarathon nennt sich das alljährliche Erflehen einiger Euro zur Verbesserung der Welt. Vielen Kindern in Deutschland und der ganzen Welt soll nun mit 8,8 Millionen Euro nachhaltig geholfen werden können. Es ist schon erstaunlich, wie dieser Sender von Bertelsmanns Gnaden erst nimmt, um dann als engagierter Geber moralisch punkten zu können.
Sind denn nicht auch stets Kinder Opfer des üblichen durchboulevardisierten Programms, das RTL rund um die Uhr so bietet? Dieser Sender war und ist wie kein anderer daran beteiligt, das Narrativ des faulen Sozialschmarotzers zu begründen. Er war der Broadcast-Flügel einer Kampagne, die alle Medien erfasste. Was Springer-Gazetten im Print-Sektor betrieben, bannte RTL vor die Kamera. Noch heute ist das so. Der Sender zeigt in einem wahnwitzigen Hype an Doku-Konzepten, wie sich das Leben in Hartz IV-Familien gestaltet. Um zu wenig Geld oder soziale Ausgrenzung geht es dabei nie - dafür um die Drückebergerei, um Blödheit und Unfähigkeit. Der Ableger RTL II führt indessen Familien aus der Unterschicht vor, die ihre Mütter tauschen. Dabei zeigt man dem Zuseher ein Leben in Dreck und arbeitsfreier Sorglosigkeit. Und bis vor einem Jahr schickte man beispielsweise Familien aus unteren Schichten eine Erziehungshilfe und zeigte hippelige, fettige und rotzfreche Kinder am Rande oder im Zentrum einer Bedarfsgemeinschaft. Immer sind da also auch Kinder im Spiel.
RTL trägt dafür Sorge, dass eine allgemeine Stimmung gegen arme Familien und deren Kinder entsteht, in denen Kinder und Jugendliche aus dieser Schicht wie Taugenichtse und Schwerenöter gezeichnet werden. RTL macht, dass nach wie vor Konsens einer breiten Allgemeinheit ist: Die Hartz-Schicht sei immer noch zu kostenintensiv, lernresistent und zudem auch noch zu anspruchsvoll. Opfer sind hierbei nicht nur erwachsene Leistungsberechtigte, sondern Kinder aus Bedarfsgemeinschaften. Sie wirken im Programm von RTL deplatziert, wie Wesen, die es besser nicht geben sollte; wie Ballastexistenzen, die bei aller Widerlichkeit und Frechheit von der Allgemeinheit durchgefüttert werden müssen.
Der Autor ist Publizist und betreibt das Weblog ad sinistram; zum Weiterlesen: ad-sinistram.blogspot.com
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