Ägyptens Weichenstellung

Martin Ling über Präsident Mohammed Mursis Verzicht auf Sondervollmachten

  • Lesedauer: 2 Min.

Politisches Manöver oder erste Einsicht? Es spricht einiges dafür, dass die »Jugendbewegung 6. April« mit ihrer Einschätzung recht hat, dass der Verzicht von Ägyptens Präsident Mohammed Mursi auf seine sich selbst zugestandenen Sondervollmachten vor allem taktischer Natur ist. Der Widerstand auf der Straße in den vergangenen zwei Wochen war sicher größer als von Mursi kalkuliert und über das tatsächliche Verhältnis zwischen dem säkular geprägten Militär und dem radikalislamischen Regierungschef herrscht weiter Rätselraten. Gibt es klare Absprachen über die künftige Machtverteilung oder wartet das Militär nur auf den Augenblick, an dem mit ausländischem Wohlwollen der Regentschaft der Muslimbrüder ein schnelles Ende gesetzt werden kann? Sicher ist, dass das Militär am Samstag mit einem Machtwort und am Sonntag mit F-16 Kampfjets über Kairo seine Muskeln spielen lassen hat und die Sympathien der Generäle für Mursi begrenzt sind.

Den Antworten auf die Fragen wird man schon die kommenden Tage näher kommen. Mursi will am Samstag das Volk über die Verfassung abstimmen lassen. Das hört sich demokratischer an, als es ist. Denn eine Verfassung, die einen Teil der Bevölkerung offen ausgrenzt und deren Rechte mit Füßen tritt, ist auch dann nicht demokratisch, wenn sie von einer Mehrheit gebilligt wird. Eine Verfassung, die die Rechte von Minderheiten nicht schützt, ist inakzeptabel. Mit ihr werden die Weichen für Ägyptens Zukunft gestellt. Ägypten steht vor der Woche der Wahrheit.

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