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Tischgespräch mit Luther
DDR-Kunst zwischen Bibel und Realismus im Angermuseum Erfurt
Das lebensgroße Triptychon »Tischgespräch mit Luther« (1984) empfängt den Besucher des Erfurter Angermuseums. Der ist eingeladen, in der Szenerie Platz zu nehmen und den Dialog unmittelbar zu verfolgen. Der Hallenser Maler Uwe Pfeifer setzt den Reformator ins Zentrum seines Bildes, gut ausgeleuchtet und dem Publikum zugewandt. Alle Mikrofone sind auf ihn gerichtet. Die Fragen stellt ein Kämpfer aus Lateinamerika, einer, der zur Waffe gegriffen hat und der - wie einst Thomas Müntzer - der Macht der Worte nicht mehr vertraut.
Luther steht hier der Befreiungstheologie eines Ernesto Cardenal gegenüber, ein Christ einem Christen, der sich als Sandinist und Sozialist fühlt, weil es für ihn in Fragen des Menschseins keinen Unterschied gibt. Das Bild macht deutlich, dass christliche Themen in der DDR-Kunst nicht nur als Metapher für den Zustand der Gesellschaft dienten.
Der Dresdner Christoph Wetzel ist in der Ausstellung mit einem Werk vertreten, das bisher selten das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat: »Das jüngste Gericht«. Der Titel ist wörtlich gemeint. Hinter einer Gerichtsschranke sitzen Kinder verschiedener Kontinente. Sie halten Gericht über die Menschen, die vor das Bild treten, denn ihren Blicken kann sich niemand entziehen. »Ich musste das malen«, antwortet Christoph Wetzel auf die Frage, ob es sich um ein Auftragswerk handele. »Es wurde dann später, soweit ich mich erinnere, von der LDPD für Schloss Bantikow gekauft. Dort war es nur für Mitglieder sichtbar.«
Offenbar gelangte das Bild dadurch später in das heutige Kunstarchiv im brandenburgischen Beeskow, wo ihm das gleiche Schicksal beschieden ist wie einst in der LDPD-Parteischule. Im UNO-Hauptgebäude in New York wäre es am richtigen Platz, um für Furore zu sorgen. Schon wegen dieses Bildes lohnt der Besuch der Ausstellung, die eine Reihe bekannter Namen wie Tübke, Mattheuer, Cremer, Ebersbach und Heisig mit weniger bekannten oder vergessenen Künstlern vereint.
Werner Juza malte 1975 das Bild »Der verlorene Sohn«. Zu sehen ist ein junger Mann mit langer Haarpracht, ein Hippie, der dem Betrachter seinen Rücken zukehrt. Vor ihm ein übermannshoher Bretterzaun, der mit dem Kofferradio, das er auf der Schulter trägt, nicht überwunden werden kann. Hubertus Giebe greift mit »Antonius und Sohn« (1980) ein weiteres Motiv aus der christlichen Ikonografie auf. Mehrere Frauen in der Gestalt stigmatisierter Puppen bedrängen den Feldherrn. Der Maler sieht Antonius nicht als historische Figur, vielmehr als »Zoon Politikon«. »Sie [die Figur] wird in dem Bild als Zeitgenosse vorgestellt, als Zeitgenosse, der von Versuchungen bedrängt ist, denen er in einer bestimmten Weise erliegt und nicht erliegt, der Widerspruch, Hin- und Hergerissensein ist auch in ihm selbst«, so Giebe.
Das Motiv der Pieta, der trauernden Maria, die ihren toten Sohn auf dem Schoß beweint, hat mehrere Künstler zu einer zeitgenössischen Variante angeregt. Doch keiner zerstört so radikal die in sich gekehrte Szene wie der Bauhausschüler Theo Balden. Mit seiner »Pieta perversa« wendet er die Konstellation in ihr Gegenteil: Über den Knien eines Soldaten liegt die tote Mutter. Die Liebe ist im Krieg geblieben, jede menschliche Regung auch.
»Christus verweigert den Gehorsam II« ist Bernhard Heisigs Antwort auf eine latente Kriegsgefahr, die von Pershing II in den 1980er Jahren ausging. Der Heiland zerreißt die Dornenkrone, sein Leidensattribut. Um den Hals trägt er die Erkennungsmarke, die ihn als Soldaten ausweist. Auch dieses Bild hat nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt. Es ist zeitlos aktuell und menschlich zugleich.
»Tischgespräch mit Luther« bis zum 20. Januar im Angermuseum Erfurt. Weitere Informationen unter www.angermuseum.de
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