Provinzial bleibt öffentlich
Privatisierung der Versicherungsgruppe vorerst gestoppt
Die Privatisierungspläne für die Provinzial-NordWest sind zunächst gestoppt. Der mit 18 Prozent an der Versicherungsgruppe beteiligte Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein (SGVSH) sprach sich am Mittwoch in Kiel einstimmig gegen derartige Verkaufsabsichten aus.
Die Provinzial NordWest zählt 6000 Beschäftigte in Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Seit zwei Wochen kursieren Gerüchte über Geheimverhandlungen mit dem Allianz-Konzern. Eigentümer der Provinzial sind neben dem SGVSH der Sparkassenverband Westfalen-Lippe und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit je 40 Prozent, die restlichen zwei Prozent hält der Ostdeutsche Sparkassenverband.
Rund 2000 Beschäftigte demonstrierten anlässlich des Treffens bei klirrender Kälte vor dem Hauptsitz des SGVSH in Kiel. Fraktionsübergreifend sprachen sich alle Parteien im Landtag für einen Provinzial-Erhalt als öffentlichem Versicherer aus. Seit Bekanntwerden der Veräußerungsabsichten haben sich zudem in einer Facebook-Gruppe über 20 000 Gegner solcher Pläne registrieren lassen. Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner hatte angekündigt, die Landesregierung würde im Falle eines Verkaufs in private Hände von ihrem Veto-Recht Gebrauch machen.
Den Gegenwind hatten die Befürworter offenbar unterschätzt. Dazu zählte der SGVSH-Vorsitzende Reinhard Boll, der dem Vernehmen nach ohne Mandat der angeschlossenen Sparkassen verhandelte. Er konnte sich wie die übrigen SGVSH-Vertreter nur mit Hilfe von Bodyguards einen Weg vorbei an den wütenden Demonstranten bahnen.
Schleswig-Holsteins Sparkassenverband bemüht sich derzeit händeringend um frisches Kapital. Angesichts von Abschreibungen in Millionenhöhe bei der HSH Nordbank, der Landesbank Berlin und wegen der nötigen Stützung in Turbulenzen geratener Sparkassen wären bei einem Provinzial-Verkauf an die Allianz dem SGVSH rund 400 Millionen Euro zugeflossen. Das Kaufgebot soll bei gut 2,25 Milliarden Euro liegen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bereits die Möglichkeit einer Fusion der Provinzial NordWest mit der kleineren Provinzial Rheinland ins Gespräch. Der öffentliche Charakter könnte dabei gewahrt werden. Bis Ende März soll diese Option von den Beteiligten geprüft werden. Allerdings würde auch solch eine Fusion wohl Stellenabbau mit sich bringen.
Derweil herrscht Fassungslosigkeit über den Provinzial-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Josef Rüther. Dieser gab zu, eine von ihm inmitten des Verkaufspokers vorgetragene Schraubenzieher-Attacke eines Unbekannten auf seine Person frei erfunden zu haben. Die Verletzungen habe er sich selbst beigebracht. In einer polizeilichen Vernehmung gab er als Motiv psychischen Druck auf ihn und seine Familie an. Nun muss er sich wegen Vortäuschens einer Straftat verantworten. Für Ralf Stegner ist Rüther nicht mehr tragbar. Die Kieler Betriebsratsvorsitzende Kirsten David wünscht sich hingegen, dass Rüther seinen Posten behalten darf.
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