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Gefolterter
Khaled el Masri, 1963 als Sohn libanesischer Eltern in Kuwait geboren
Die mit 17 Richtern besetzte Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sprach gestern ein Urteil, das sich vor allem Terrorbekämpfer hinter den Spiegel stecken sollten. Die mazedonische Regierung wurde angewiesen, dem Kläger 60 000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.
Der heißt Khaled el Masri, ist Deutsch-Libanese. Der 49-Jährige machte vor dem Gericht eine ganze Reihe von Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention geltend. Obenan standen das Grundrecht auf Freiheit und das Folterverbot. Die Straßburger Richter sahen es als erwiesen an, dass die mazedonischen Behörden el Masri zu Silvester 2003 festgenommen hatten. Danach wurde er 23 Tage vom Geheimdienst UBK festgehalten. Der Vorwurf? Verbindungen zu Terrororganisationen. Schläge und andere üble Folterpraktiken wurden angewandt. Ergebnislos. El Masri konnte nichts gestehen. Also »überwies« man den Rechtlosen an den US-Geheimdienst CIA. Die Agency flog ihn ins afghanische Bagram und folterte im dortigen Geheimgefängnis für mutmaßliche Al-Qaida-Anhänger munter weiter. Doch der Verdacht, dass el Masri in die Attentate vom 11. September 2001 verwickelt gewesen sei, ließ sich nicht erhärten. Wertlos geworden, setzte man ihn schließlich an der albanisch-mazedonischen Grenze aus und informierte mal rasch den deutschen Innenminister. Otto Schily hieß der damals - und feierte weiter Pfingsten. Schließlich standen die guten deutsch-amerikanischen Beziehungen auf dem Spiel. Die Entführung ließ sich nicht vertuschen. Ein Sonderermittler des Europarates beschäftigte sich damit, der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages musste sich kümmern.
Der Kläger kam gestern nicht zur Urteilsverkündung. Er ist noch inhaftiert. Nach seiner Rückkehr 2004 ist el Masri mehrfach straffällig geworden: 2007 legte er in einem Neu-Ulmer Großmarkt Feuer. 2009 verletzte er den dortigen Oberbürgermeister. Gutwillige machen dafür eine durch die Folter erlittene Traumatisierung verantwortlich. Ein psychiatrischer Gutachter hatte el Masri jedoch vor Gericht für voll schuldfähig erklärt.
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