Zaghafter Tierschutz

Opposition und Verbänden geht beschlossene Gesetzesnovelle der Bundesregierung nicht weit genug

  • Jens-Eberhard Jahn
  • Lesedauer: 2 Min.
Am Donnerstag beschloss der Bundestag die Novelle des Tierschutzgesetzes - Kritiker sind nicht zufrieden.

Am späten Donnerstagabend wurde es noch einmal voll im Bundestag. Zur Unzeit hatte die Koalition ihre Tierschutznovelle auf die Tagesordnung gesetzt. Im Sommer 2012 hatte die Regierung einen Gesetzentwurf vorgelegt. Bundesrat, Opposition und Teile der Bevölkerung forderten hier Korrekturen. Ihnen fehlten wichtige Punkte wie ein Qualzuchtverbot und ein Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen.

Die Korrekturen, die die Koalition am Entwurf von Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) vornahm, sahen anders aus: Das Verbot des Heißbrandes bei Pferden wurde gestrichen und das Verbot betäubungsloser Ferkelkastration auf 2019 verschoben. Die Grünen wollten diese Passagen per Änderungsantrag wieder in den Entwurf aufnehmen lassen, scheiterten aber in der namentlichen Abstimmung.

Erwartungsgemäß wurde die Novelle angenommen. »Ein Desaster für den Tierschutz« nennt es Martina Stephany von der Stiftung »Vier Pfoten«. Zugunsten der Profitinteressen einzelner Gruppen nehme Schwarz-Gelb millionenfaches Tierleid in Kauf.

Die Linkspartei hatte in einem Antrag Vorschläge gemacht, was ein Tierschutzgesetz beinhalten müsste: unter anderem das Verbot der betäubungslosen Ferkelkas- tration und der Verstümmelung von Geflügel und Schweinen in der Nutztierhaltung. In diesen Fragen ist sich die Opposition weitgehend einig. Alexander Süßmair, Tierschutzbeauftragter der Linksfraktion, betonte aber auch die sozialen Aspekte: Es müsse Schluss sein mit Billiglöhnen und Stückprämien in den Schlachthöfen.

Die Grünen hatten einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Laut Undine Kurth, der tierschutzpolitischen Sprecherin der Fraktion, sei er dem ethischen Tierschutz verpflichtet. Thorsten Gerdes, einer der Tierschutzrechtsexperten bei der Bundestagsanhörung im Oktober, sieht das kritisch: »Ethik und Recht müssen in einem freiheitlichen Gemeinwesen voneinander getrennt werden.«

Deshalb wurde Ende der 1960er der Strafrechtsparagraf 175 in DDR und BRD abgeschafft. Er verbot bis dahin die Sodomie, den sexuellen Kontakt mit Tieren. Das Verbot wollten viele Tierschützer, Grüne und der Bundesrat wieder einführen. Die Koalition nahm den Vorschlag auf. Doch viele sehen darin nur eine Taktik, um von der dürftigen Tierschutzpolitik abzulenken.

»Mit der Abstimmung ist der Tierschutz-Bundestagswahlkampf eröffnet«, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, das gestrige Ergebnis. Dies sieht der tierschutzpolitische Sprecher der FDP, Hans-Michael Goldmann, wohl ähnlich. Nach der Abstimmung mahnte er weitere Veränderungen an. Am Donnerstag scheiterten diese offensichtlich an Agrarlobbyisten und CDU/CSU-Hardlinern. Grüne und Tierschutzbund hoffen nun darauf, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.