Reproduktionslücke
Jörg Meyer fragt sich, ob die Familienpolitik in diesem Land ihren Namen verdient
Die Deutsche Frau will keine Kinder mehr bekommen. Oh Schreck! Die CDU beeilte sich gestern, die neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zu kommentieren: Die Gebärunwilligkeit sei nicht Schuld der Politik allein. Mit ursächlich für die beständig sinkende Geburtenrate sind die Nichtvereinbarkeit von Beruf und Familie und - vorwiegend in Westdeutschland - das verbreitete Bild der »Rabenmutter«, die nicht zu Hause sitzt und ihre Brut ganztägig betüttelt, sondern das Kind in einer Krippe abgibt und lieber für Geld arbeiten gehen will.
Ursächlich im europäischen Vergleich ist auch, dass es andernorts seit Jahrzehnten eine Familienpolitik gibt, die den Namen verdient, die ausgerichtet ist auf die Gleichstellung der Geschlechter, auf Teilzeitmodelle im Speziellen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Allgemeinen. In Deutschland hingegen bezeichnete ein SPD-Bundeskanzler noch vor zehn Jahren eine gesetzliche Frauenquote als »Gedöns«, und jüngst endete die Debatte über die Herdprämie damit, dass das von der CSU bei Schwarz-Gelb durchgedrückte Gesetz zum Betreuungsgeld den Bundesrat passierte. Teilzeit- oder flexible Rentenregelungen gelten vielerorts noch immer als Teufelszeug. »Modern« sieht anders aus.
Und nun betont Schwarz-Gelb, dass man schnell für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgen wolle. Aber wie soll das aussehen? Endlich genug Geld in den Kitaausbau stecken oder eine späte Einsicht und die Abkehr von der Herdprämie? Man darf gespannt sein.
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