Gibt es Weihnachtsgeld oder wird es gestrichen?

Alle Jahre wieder der alte Streit:

  • Lesedauer: 2 Min.
Wie jedes Jahr freut sich eine Mehrzahl der deutschen Arbeitnehmerschaft auf das sogenannte Weihnachtsgeld. Ob es welches gibt, liegt aber nicht im »einseitige Ermessen« des Arbeitgebers.

Vielmehr, so der Arbeitsrechtler Michael Henn vom Verband deutscher Arbeitsrechts-Anwälte (VDAA), sind bei derartigen Ansinnen die bestehenden Tarifverträge, etwaige Betriebsvereinbarungen, die Bedingungen des einzelnen Arbeitsvertrages oder auch vorherige Zusagen des Arbeitgebers bei der Beurteilung der Rechtslage zu beachten.

Selbst wenn die vorstehenden Kriterien nicht erfüllt seien, könne ein Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes immer noch aus einer »betrieblichen Übung« bestehen oder sich aus »arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsätzen« ergeben. Soweit der Anspruch auf das Weihnachtsgeld im Arbeitsvertrag geregelt sei, habe der Arbeitgeber grundsätzlich nicht die Möglichkeit, dies einseitig zu ändern. Er könne allenfalls versuchen, mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Regelung über eine Änderung zu treffen.

Soweit eine einvernehmliche Änderung nicht möglich sei, könnte der Arbeitgeber zwar versuchen, die Änderung der vertraglichen Regelung durch eine »Änderungskündigung« herbeizuführen. Die praktischen Schwierigkeiten und die juristischen Hindernisse bei einer solchen Änderungskündigung seien jedoch so hoch, dass dieser Weg in der Praxis wenig Aussicht auf Erfolg habe. Ähnliches gelte auch bei Bestehen von Betriebsvereinbarungen. Auch diese müssten zunächst durch den Arbeitgeber gekündigt werden, wobei dieser entsprechende »Auslauffristen« zu beachten habe.

Günstiger, so der Arbeitsrechtler, sehe die Rechtslage für den Arbeitgeber allerdings aus, wenn der Arbeitsvertrag oder die Betriebsvereinbarung einen »Freiwilligkeitsvorbehalt« enthalte. Derartige Freiwilligkeitsvorbehalte seien juristisch zulässig und würden dem Arbeitgeber jedes Jahr die Möglichkeit offen lassen, ob er ein Weihnachtsgeld zahlt.

Ein derartiger »Freiwilligkeitsvorbehalt« müsse jedoch klar und deutlich formuliert und dürfe später nicht abgeändert worden sein. Auch sei es dem Arbeitgeber nicht möglich, bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedlich zu behandeln, wenn hierfür kein sachlich gerechtfertigter Grund bestehe.

Selbst wenn keine ausdrücklichen Regelungen bestünden, könne für den Arbeitnehmer gleichwohl ein (Rechts-)Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes bestehen, und zwar dann, wenn er in den letzten drei Jahren jeweils ein Weihnachtsgeld erhalten habe und der Arbeitgeber bei der Zahlung nicht ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es sich um eine »freiwillige Leistung« ohne jeden Rechtsanspruch handle.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.