Kleine Dinge, große Bedeutung
Ein Verein vermittelt Weihnachtspakete für Gefangene und sorgt so für ein bisschen Normalität hinter Gittern
»Sehr geehrte Spender/in! Vielen Dank, dass Sie es ermöglicht haben, dass ich hier im Gefängnis ein bisschen Weihnachten feiern konnte. Ich habe mich riesig über Ihr Paket gefreut. Meine eigene Familie hat mich abgeschrieben.« Diese Zeilen schrieb ein wegen Diebstahls verurteilter Mann an den ihm unbekannten Spender eines Weihnachtspakets. Den Kontakt hat die 1981 gegründete gemeinnützige Organisation »Freiabonnements für Gefangene« angebahnt. Neben Zeitungsabos vermittelt sie Briefkontakte und Pakete.
Weihnachten ist für Gefangene eine bedrückende Zeit. Der normale Gefängnisalltag ruht, es gibt wenig Abwechslung. Nach Hause dürfen nur wenige. Für diejenigen, die Weihnachten in der Haftanstalt verbringen müssen, ist die Einsamkeit besonders spürbar, weiß der Verein. Die Geschenke helfen bei der Resozialisierung. Sie bringen ein bisschen von der Welt draußen in das Leben der Inhaftierten zurück, geben ihnen das Gefühl, nicht vergessen zu werden und bauen eine Brücke zur Gesellschaft, so die Gefangenenhilfe.
Spender können ein Paket direkt an den Gefangenen schicken oder 45 Euro überweisen. Mit dem Betrag werden dann von Vereinsmitarbeitern die Wünsche der Gefangenen erfüllt. Auch kleinere Spenden sind willkommen. Über die diesjährige Weihnachtsaktion konnte 122 Gefangenen ein Weihnachtspaket vermittelt werden. Alle Pakete sind jetzt auf dem Weg.
Seit Gründung des Vereins gingen mehr Wünsche von Gefangenen ein, als erfüllt werden konnten. Doch in den letzten Jahren haben die Paketanfragen noch mal zugenommen, »nicht dramatisch aber stetig«, erklärt die Vereinsgeschäftsführerin Sybill Knobloch gegenüber »nd«. Ein Grund dafür ist die wachsende Armut im Gefängnis. Mit den 30 Euro Taschengeld monatlich können sie sich kaum individuelle Wünsche erfüllen. Oft reicht der Betrag nicht einmal für die Begleichung der Telefonkosten mit Freunden und Verwandten. »Auf jeden Fall zeigt sich bei der Paketvermittlung der soziale und finanzielle Notstand der Gefangenen, sonst müssten sie sich nicht an uns wenden«, betont Knobloch.
Die soziale Notlage wird von den Häftlingen offen angesprochen. So schreibt ein Gefangener aus der JVA Lingen: »Leider habe ich keine Angehörigen, die mich unterstützen könnten. Daher würde ich mich über eine Spende sehr freuen.« Er darf keine Pakete, sondern nur noch Geldspenden entgegennehmen. Denn Niedersachsen gehört wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen zu den Bundesländern, die in den letzten drei Jahren das Schicken von Paketen in die Gefängnisse verboten haben. Begründet wurde diese Maßnahme mit dem Verwaltungsaufwand, der damit für die Gefängnisse verbunden sei. Denn alle Postsendungen müssten auf verbotene Gegenstände untersucht werden.
Obwohl die Geldüberweisungen ein Ersatz sind, kritisiert Anette Baginska vom Freiabo-Verein das Paketverbot scharf: »Wenn man sich ein Gefängnis von innen angesehen hat, dann merkt man, wie kleine Dinge plötzlich eine große Bedeutung bekommen, und wie das Leben eines Gefangenen von sehr vielen Regeln, aber auch sehr viel Verzicht bestimmt wird.« Mit dem Paketverbot werde den Gefangenen auch noch die Freude über ein überraschendes Präsent genommen.
Welche Bedeutung eine solche Geste hinter Gittern haben kann, drückt sich in den Dankesbriefen aus, die der Verein auf seiner Homepage veröffentlicht. »Die Situation hier ist nicht einfach (und vor allem nicht unverschuldet), aber die menschliche Komponente Ihres Engagements macht es erträglicher«, schreibt etwa ein Gefangener, der ein Buchgeschenk erhalten hat. Und ein anderer: »Es ist nicht selbstverständlich, da der Ruf der Gefangenen außerhalb der JVA-Mauern nicht gerade der Beste ist und es viele Vorurteile gibt.«
Damit liegt der Mann nicht falsch. Kaum eine andere gesellschaftliche Gruppe hat so eine geringe Lobby wie Gefangene. Das Paketverbot hat keinerlei öffentliche Diskussionen ausgelöst. Auch die inzwischen in Baden-Württemberg regierenden Grünen und Sozialdemokraten stellen das von der Vorgängerregierung beschlossene Verbot nicht infrage.
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