Nicht alle schreien vor Glück

Die rasche Expansion beim Online-Versandhändler Zalando hat Schattenseiten

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Vorweihnachtszeit ist auch für Online-Händler die wichtigste Periode des Jahres. Bei Zalando will man die Eine-Milliarde-Euro-Marke knacken.

Zalando gilt als eines der erfolgreichsten deutschen Start-up-Unternehmen. Dem Online-Versandhändler für Schuhe und Kleidung mit dem markanten Werbeslogan »Schrei vor Glück!« wurde kürzlich bei einer Gala im Berliner Museum für Kommunikation der Deutsche Marketingpreis verliehen. Auch die Medien sind voller Lob: »Zalando mischt den Internethandel auf«, schrieb etwa das »Hamburger Abendblatt« in einem Bericht, der sich wie eine Neuauflage des Mythos »Vom Tellerwäscher zum Millionär« liest. Und tatsächlich: Zalando hat inzwischen rund 2600 Mitarbeiter an mehreren Standorten. Vier Jahre nach Gründung soll der Umsatz 2012 die Marke von einer Milliarde Euro überschreiten. Im kommenden Jahr sollen allein in Berlin 300 neue Jobs entstehen. Laut Geschäftsführer Rubin Ritter ist Zalando »das am schnellsten wachsende Unternehmen in Europa«.

Die Erfolgsstory wurde indes unterbrochen, als Zalando-Beschäftigte im August über ihre schlechten Arbeitsbedingungen berichteten, was per Kamera dokumentiert wurde. Nachdem einem ZDF-Team ein Interview und eine Drehgenehmigung verweigert worden waren, heuerte ein Mitarbeiter der Sendung »Zoom« als Leiharbeiter an und filmte mit versteckter Kamera die Zustände in den Lagerhallen. Mitarbeiter mussten während der gesamten siebeneinhalbstündigen Arbeitszeit stehen und wurden ständig überwacht. Die Toiletten waren unhygienisch. Leiharbeiter erhielten lediglich den Mindestlohn von sieben Euro. Und wie viele andere Unternehmen gerade im Versandhandel hatte Zalando Null-Euro-Jobber eingestellt. Sie absolvierten ein »Schnupperpraktikum« in der Hoffnung auf eine Festanstellung. In der Sendung berichteten Mitarbeiter, dass den meisten Praktikanten aber statt Festanstellungen immer wieder neue Praktika angeboten wurden.

Nach Bekanntwerden der Vorfälle gab Zalando den Leiharbeitsfirmen die Schuld und versprach bessere Kontrolle. Doch überprüfen lässt sich das nicht. Und gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn das Versandgeschäft boomt, werden viele befristet Beschäftigte eingestellt. Wie hoch ihre Zahl bei Zalando ist und wie sie bezahlt werden, gehört wohl zu den Firmengeheimnissen. Schriftliche Nachfragen bei der Pressestelle blieben unbeantwortet. Auch einen »Handelsblatt«-Bericht wollte dort niemand kommentierten. Danach hat das Erfolgsunternehmen ein großes Problem: Zalando wirbt mit einem kostenlosen Rückgaberecht von 100 Tagen, wovon offenbar viele Kunden Gebrauch machen. Die Umtauschquote betrage mittlerweile 70 Prozent und könnte das Unternehmen in die Verlustzone treiben, heißt es in dem Bericht.

Das Problem will man mit eigenen Marken lösen, die eine höhere Marge versprechen als der Verkauf fremder Produkte. Gut zehn eigene Marken hat Zalando inzwischen. Die Marketingpreis-Gala diente dem eigenen Marketing: Einige Prominente wurden mit Kleidern und Accessoires aus der Designkooperation »Kaviar Gauche for Zalando Collection« ausgestattet.

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