Platzhirsch Gott

Ingolf Bossenz über weihnachtliche Ansprachen, u.a. des Papstes

  • Lesedauer: 2 Min.

Wir«, erklärte Benedikt XVI. am Heiligen Abend, »sind mit uns selbst vollgestellt, so dass kein Raum für Gott bleibt. Und deshalb gibt es auch keinen Raum für die anderen, für die Kinder, für die Armen und Fremden.« Eine ebenso harsche wie überraschende Selbstkritik, die der deutsche Papst da ausgerechnet zu Weihnachten den Gläubigen verkündete. Oder nicht? Leider war Joseph Ratzingers vermeintlicher Pluralis Majestatis nur die auch in Politik und Wirtschaft gern und oft gebrauchte WIR-Vereinnahmung, die alle anderen einschließt, nur die Vereinnehmenden nicht. Gottvergessenheit, so wieder einmal die bizarre Botschaft des Pontifex, ist die Ursache aller Übel. Ratzinger, der in der veröffentlichten Meinung als einer der bedeutendsten Intellektuellen Deutschlands gilt, zeigt sich damit als ausgesprochen schlichter Denker. Aber zugleich als wohl kalkulierender Denunziant. Denn denunziert werden von ihm all jene, die sich Tag für Tag mühen, diese Welt zu einer besseren zu machen, zu einer besseren auch »für die Kinder, für die Armen und Fremden«. Die den Nächsten dienen und helfen, wie Buddha und Jesus es forderten. Und die dies tun, ohne an Gott oder Allah, Papst oder Patriarch einen Gedanken, ein Gebet oder eine Gebärde zu verschwenden. Sollte Benedikt XVI. mittlerweile von Gott, seinem Gott, so »vollgestellt« sein, dass in ihm kein Raum mehr für die Menschen bleibt?

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.