Gefeiert wird später und Heimweh weggelächelt

Für die einen ist es ein unvergesslicher Urlaub, für die anderen tägliche Arbeit - der Jahreswechsel auf »Mein Schiff 2«

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 7 Min.

Drei Wanduhren hängen in René Peters Büro: Die erste zeigt an, wie spät es gerade in Hamburg ist, die mittlere die aktuelle Ortszeit, und an der dritten kann er ablesen, welche Stunde es gerade zu Hause in Kapstadt schlägt. René Peter ist General Manager auf der »Mein Schiff 2« und in dieser Funktion gewissermaßen »Mädchen für alles«. Oder anders gesagt, Peter ist zuständig für das Wohlergehen von Crew und Passagieren, wacht darüber, dass in der großen Familie auf Zeit alles seinen Gang geht und es niemandem an irgendetwas fehlt.

Wie alle, die an Bord des Kreuzfahrtschiffes von TUI Cruises arbeiten, ist der Schweizer monatelang sieben Tage die Woche im Dienst, derzeit - und noch bis Mitte März -, ist »Mein Schiff 2« unterwegs zwischen Dubai und dem Orient. Jeden Sonntag gehen rund 2000 Gäste nach einer erlebnisreichen Woche in Dubai von Bord und genau so viele beginnen hier ihren Urlaub. »Am ersten Tag herrscht immer ein bisschen Ausnahmesituation auf dem Schiff«, erzählt Peter. »Die neuen Gäste irren noch etwas hilflos durch die Gänge, aber unsere Crewmitglieder machen ihnen das Eingewöhnen mit Geduld und Freundlichkeit leicht. Und für die Crew, insbesondere für diejenigen, die die Kabinen betreuen, bedeutet der Wechseltag Stress pur. Doch gute Organisation ist die halbe Miete, wichtig ist, dass die Gäste sich von der ersten Minute an Bord wohlfühlen. Schließlich sind sie hier im Urlaub.«

Wohlfühlen heißt auf einem Kreuzfahrtschiff neben vielfältigen Veranstaltungen und perfekt organisierten Ausflügen vor allem auch immer, dass der Tisch reich und gut gedeckt ist. Daran mangelt es auch in den acht Restaurants und Bistros sowie zehn Bars und Lounges der »Mein Schiff 2« nicht. Auch dafür ist letztlich René Peter zuständig: »Im ersten Hafen laden wir alles, was unser kleines Dorf in einer Woche braucht«, sagt er. Auf einer einwöchigen Reise kommt da ganz schön was zusammen: 9000 Kilo Fleisch und Wurst, knapp 25 000 Eier, 10 000 Kilo Obst, 2200 Kilo Mehl, 600 Kilo Zucker ... Auch 1200 Kilo Eiscreme gehen weg wie warme Semmeln, die übrigens täglich frisch gebacken werden. Und 1700 Flaschen Sekt und Champagner, die nach sieben Tagen ausgetrunken sind. Normalerweise. In der vergangenen und in dieser Woche dürften es noch ein paar mehr werden. Schließlich war Weihnachten, und am Montag ist Silvester.

Das Schiff wird sich zum Jahreswechsel auf dem Weg von Dubai nach Muscat im Oman befinden. Damit es für die Gäste eine unvergessliche Nacht auf hoher See wird, sind die meisten der 800 Crewmitglieder im Einsatz. René Peter selbstverständlich auch, doch der sieht das in diesem Jahr sehr gelassen. Denn zum ersten Mal wird seine Frau zum Jahreswechsel mit an Bord sein. Rechtzeitig vor Weihnachten kam sie aus Südafrika. Dass ihr Mann dennoch arbeiten muss, ist kein Problem, schließlich sind beide zusammen, und das bleibt auch noch ein paar Tage so.

Für Audrey Cadula wird es ein Tag wie jeder andere sein. Ihre Familie ist weit weg: »Mein Mann arbeitet als Koch auf der MS Columbus 2, die sich zum Jahreswechsel irgendwo zwischen Nicaragua und Guatemala befinden wird. Unsere beiden kleinen Töchter werden zu Hause auf den Philippinen von der Großmutter betreut.« Es sei schon nicht ganz leicht für sie, so fern von den Lieben zu sein, gerade an so einem Tag, dennoch fühle sie sich hier auf dem Schiff sehr wohl. Seit vier Jahren arbeitet sie als Kabinenstewardess auf Kreuzfahrtschiffen, auf der »Mein Schiff 2« ist die 35-Jährige seit deren Taufe im Mai 2011. Erst im August hat Audrey Urlaub, dann wird die ganze Familie für zwei Monate zusammen sein. Bis dahin bleiben nur Telefon und Internet. Gegen Heimweh helfen ihr auch Tanzen und Singen. Wenn sie als Mitglied der Crew Show auf der großen Theaterbühne steht und die Gäste ihr zujubeln, sei sie glücklich, erzählt Audrey. Und wenn das Heimweh dennoch mal kommt, versuche sie es einfach wegzulächeln.

Jo-Ann Yiduya kommt ebenfalls von den Philippinen. Wie Audrey gehört sie schon eine ganze Weile zur Crew. Inzwischen spricht die 30-Jährige recht gut Deutsch, hat das umfangreiche Kursangebot an Bord intensiv genutzt, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Auch sie hat als Kabinenstewardess angefangen, jetzt ist sie Sekretärin in der Küche. Für Jo-Ann haben die letzten Tage an Bord begonnen, am 10. Januar fliegt sie erst einmal nach Hause. »Dann werde ich mit meinen Eltern und Schwestern ein großes Fest feiern«, sagt sie, »wir verschieben den Jahreswechsel einfach ein paar Tage.«

Jana Puttkammer ist in Celle zu Hause. Für die 23-Jährige wird dieser Jahreswechsel der erste überhaupt sein, den sie nicht bei ihrer Familie verbringt. Anfang November heuerte sie als Kosmetikerin und Masseurin auf dem schwimmenden Hotel an, erst im April kehrt sie nach Deutschland zurück. »Ein bisschen komisch war's schon zu Anfang«, erzählt sie. Aber inzwischen fühle sie sich sehr wohl an Bord, die Kollegen seien nett und die Gäste immer gut drauf. Und gegen Heimweh helfen Telefonieren und Skypen. Mit ihrem Freund ist Jana seit fünf Jahren zusammen, die sechsmonatige Trennung sieht sie als eine Art Testzeit. »Wenn er auch zuerst nicht begeistert darüber war, dass ich auf einem Schiff arbeiten will, so freut er sich inzwischen mit mir, dass ich so tolle neue Erfahrungen machen kann«, erzählt sie. Ganz besonders stolz seien ihr Vater und ihr Großvater auf sie. »Mein Opa, der früher selbst zur See gefahren ist, nennt mich inzwischen ›meine kleine Matrosin‹«, lacht sie. Silvester arbeitet Jana nur bis zum Nachmittag, deshalb kann sie mit den anderen, die wie sie frei haben, im Crewbereich eine richtige Sause machen. »Das hilft garantiert gegen Heimweh.«

Von der spektakulären mitternächtlichen Licht- und Lasershow auf dem Pooldeck bekommt Francis Aubin Itoumbou garantiert nichts mit. Nicht nur, weil sein Reich, die Küche des Gourmetrestaurants »Richards Feines Essen«, sechs Decks tiefer liegt, sondern weil der 38-jährige Spitzenkoch im wahrsten Sinne des Wortes hier den Hut, oder besser, die Kochmütze auf und alle Hände voll zu tun hat. Wie jeden Abend wird der Sohn eines Südafrikaners und einer Kamerunerin ein exquisites Sechs-Gänge-Menü zaubern, das allerhöchsten Gaumenansprüchen gerecht wird. In der letzten Nacht des Jahres will er die Gourmets mit auf eine kulinarische Reise zwischen Europa und dem Orient nehmen, seit Tagen schon laufen die Vorbereitungen. Wie immer wird der Absolvent des berühmten Kochinstituts von Paul Bocuse in Lyon mit aller Leidenschaft Herr über Töpfe und Pfannen sein. Denn: »Leidenschaft ist der beste Koch«, ist er überzeugt. Wenn Itoumbou und seine Mannschaft so gegen vier Uhr morgens endlich die Kochjacke ausziehen, werden die letzten Feierlustigen wohl langsam ins Bett gehen. »Wir kommen immer erst aus der Küche, wenn alles vorbei ist«, sagt er ohne Traurigkeit, »aber ich habe es mir ja schließlich selbst ausgesucht.«

Jürgen Lück hat Glück - im doppelten Sinne sogar. Anders als sein Kollege, mit dem er sich die Arbeit im top ausgestatteten Hospital auf Deck 4 teilt, hat er in der Silvesternacht dienstfrei. Und er kann das neue Jahr gemeinsam mit seiner Frau begrüßen, die extra aus Düsseldorf eingeflogen ist. Erstmals müssen ihre Freunde ohne sie feiern, aber das wird nachgeholt, freut sich der leidenschaftliche Düsseldorfer. Pünktlich zum Karnevalsbeginn am 10. Februar ist er wieder zu Hause. Nach Monaten im Orient gibt es für ihn an den närrischen Tagen dann auch nur eine passende Verkleidung - als Scheich. Das »Kostüm« bekommt er in Dubai oder Abu Dhabi an jeder Ecke.

Wenn am 31. Dezember um Mitternacht die Schiffssirene lautstark das neue Jahr begrüßt, die Schiffshymne »Große Freiheit« erklingt und buntes Licht den Himmel zum Leuchten bringt, wird Kapitän Michael Block mit dem gesamten »kleinen Dorf« auf ein gesundes und erfolgreiches 2013 anstoßen. Und darauf, dass die »Mein Schiff 2« allezeit gut über die Weltmeere schippert und immer sicher den nächsten Hafen erreicht.

  • TUI Cruises GmbH, Anckelmannsplatz 1, 20537 Hamburg, www.tuicruises.com
  • Die Reise »Dubai & Orient« dauert sieben Tage (von Sonntag bis Sonntag), die letzte beginnt am 17. März in Dubai
  • Infos und Buchung unter TUI Cruises Service Team, Tel.: (40) 28 66 77-111, Mo-Fr 9 bis 20 Uhr, Sa 9 bis 18 Uhr, E-Mail: info@tuicruises.com
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