Gute Aussichten für Afghanistan?
Wir sehen keine Anzeichen von Wiederaufbau
nd: Wie bewertest du den geplanten Abzug der NATO-Kampftruppen bis Ende 2014?
Zoya: Unser Land wird von den USA und ihren Alliierten besetzt, was bedeutet, dass unser Recht auf Unabhängigkeit gestohlen wurde. Diese Länder unterstützen die islamischen Fundamentalisten. Ihr »Krieg gegen den Terror« und gegen die Taliban ist verlogen. Die Erklärungen von einem vollständigen Truppenabzug sollen die Menschen weltweit täuschen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die USA und ihre Verbündeten die Truppen nicht komplett bis 2014 abziehen werden. Die Region ist geostrategisch zu wichtig, deshalb werden die USA so lange in Afghanistan bleiben, wie sie wollen. Oder bis unsere Leute sie durch ihren Widerstand zum Abzug zwingen. Dafür brauchen wir Unterstützung von Friedensgruppen.
Kannst du dich in der momentanen politischen Situation in Afghanistan frei betätigen?
Die von Karsai geführte Handlangerregierung ist voller verbrecherischer Warlords und Geheimdienste anderer Länder, allen voran der USA und Pakistans. Mit ihrem mittelalterlichen und frauenfeindlichen Weltbild sind diese Fundamentalisten nicht anders als die Taliban. Während des Bürgerkriegs 1992-96 haben sie zahllose Verbrechen verübt. Wir waren niemals frei in unserem Engagement. In Afghanistan müssen wir im Untergrund arbeiten. Öffentliche Aktivitäten haben wir komplett gestoppt, weil es dafür keine Sicherheit gibt.
Selbst einfache Aufgaben, wie die Verteilung unserer Veröffentlichungen über Medienagenturen und bekannte Persönlichkeiten, sind schwierig und bedürfen großer Vorsicht, damit uns die Geheimpolizei nicht auf die Spur kommt.
Wie sieht die gesellschaftliche und soziale Entwicklung in Afghanistan nach elf Jahren »Wiederaufbau« aus?
Heute gehört Afghanistan zu den zehn ärmsten Ländern der Welt, obwohl es 60 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern erhalten hat. Es besetzt einen der niedrigsten Ränge des Human Development Index. Zeichen von »Wiederaufbau« für die Bevölkerung gibt es nicht einmal in der Hauptstadt. Kabul ist übersät mit Hochhäusern und Luxushotels, aber sie gehören Warlords oder Unternehmern, die von den letzten elf Jahren Besatzung profitiert haben. Es gibt weder richtige Fabriken noch ein funktionierendes Gesundheits- und Bildungssystem. Unsere Wirtschaft besteht aus Mafia-Strukturen, die von der Regierung kontrolliert werden. Drogenhandel und Geldwäsche dominieren die Politik.
ZOYA (1978 geboren) ist Mitglied der Revolutionary Association of the Women of Afghanistan. Die soziale Organisation setzt sich seit 1977 friedlich für die Frauenrechte und säkulare Demokratie in Afghanistan ein. Sie und ihre Mitstreiterinnen leben im Untergrund.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.