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Hamas und Netanjahu: Zwei vom gleichen Schlag
Christoph Ruf kommentiert das Töten der israelischen Armee im Gazastreifen
Vergangenen Dienstag habe ich Wladimir Putin ein »Riesen-A..« genannt. Die verklemmte Abkürzung benutze ich, weil mich die Kritik von zwei Leserbriefschreibern überzeugt hat. Die an der Ausdrucksweise jedenfalls, die an der Aussage nicht.
Und damit zu Benjamin Netanjahu und Friedrich Merz. Kritik an ersterem wird mit starken und weniger starken Argumenten erwidert. Ein starkes ist der Verweis auf die NS-Zeit, die wohl jeder, der nicht im rechten Schlussstrichwahn ist, automatisch mitdenkt. Weniger überzeugend finde ich den Hinweis darauf, dass Israel die einzige Demokratie in der Region sei. Das stimmt. Aber zum einen zeichnen sich gerade Demokratien dadurch aus, dass Kritik an ihrem Regierungshandeln alltäglich und selbstverständlich ist. Und zum anderen können auch in Demokratien Menschen an die Macht gelangen, die antidemokratische Züge tragen. Netanjahu, das wurde in den vergangenen Tagen bekannt, hat beispielsweise den Inlandsgeheimdienst darauf anzusetzen versucht, politische Gegner auszuspionieren. Zudem klebt er nicht zuletzt deshalb an der Macht, weil er der Strafverfolgung entgehen will.
Ich verstehe deshalb nicht, warum Kritik an der israelischen Regierung so oft mit Kritik am Staat Israel oder gar an der dort vorherrschenden Religion verwechselt wird. Und genau deshalb verstehe ich erst recht nicht das verklemmte Schweigen des Westens angesichts der Lage in Gaza. Israel hatte nach dem Terror vom 7. Oktober 2023 meine volle Sympathie beim Versuch, die Hamas und ihre Sympathisanten zurückzuschlagen und die Geiseln zu befreien. Doch was in den vergangenen Monaten passiert, geht weit über diese Ziele hinaus – selbst dann, wenn man zugesteht, dass ein Gegenschlag aus Gründen der Abschreckung massiver ausfallen kann als der Angriff.
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
Tote zu zählen ist zynisch, sie gegeneinander aufzurechnen erst recht. Aber wer Israels Regierungshandeln noch verhältnismäßig findet, muss mir erklären, wie er das begründet. »From the river to the sea«, das Motto der echten Israel-Hasser, ist heute völlig unverhohlen auch die Marschroute der israelischen Armee. Das Westjordanland soll annektiert werden, die Lebensgrundlagen in Gaza sind keine mehr.
Deutschland hält das nicht von weiteren Waffenlieferungen ab, obwohl in Gaza 50 000 Menschen getötet wurden, die meisten Frauen und Kinder. Überhaupt kann es keinen vernünftigen Zweifel mehr daran geben, dass Netanjahu und sein in Teilen rechtsextremes Kabinett mit der Hamas zweierlei gemeinsam haben. Erstens: Menschenleben sind ihnen nur Mittel zum Zweck. Und zweitens: Sie pfeifen auf jede Zweistaaten-Lösung.
Gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. Dass der ungarische Ministerpräsident Victor Orbán den ignoriert, kann nicht wirklich verwundern. Dass auch Baldkanzler Merz im Zweifelsfall »Mittel und Wege finden« will, um eine Verhaftung Netanjahus zu verhindern, ist ein Skandal. Schließlich sind die Beschlüsse von Den Haag keine unverbindliche Empfehlung, sondern geltendes Recht. Ein studierter Jurist sollte das selbst dann wissen, wenn er lange als Lobbyist gearbeitet hat.
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