Der gescheite Kybernetiker

Erinnerung an einen DDR-Philosophen: Georg Klaus

  • Michael Eckardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit 1953 als Professor für Logik und Erkenntnistheorie an der Humboldt-Universität lehrend, genoss Georg Klaus als Kybernetik-Philosoph in den 60er und 70er Jahren in der DDR wie auch in der BRD eine erstaunliche Popularität. Begriffe wie Regelkreis, Prognose oder Störgröße waren in aller Munde. Noch bis in die 80er Jahre zehrten ostdeutsche Intellektuelle von seinen Anregungen - für den Schriftsteller Marc Schweska Grund genug, Klaus als Figur in seinem Roman »Zur letzten Instanz« (2011) agieren zu lassen.

Einem breiteren Publikum bekannt wurde Klaus durch das gemeinsam mit Manfred Buhr herausgegebene »Philosophische Wörterbuch« (14 Auflagen von 1968 bis 1987!). Es gehörte in der DDR zur Standardliteratur jedes Parteischulkurses, im Westen fehlte die Lizenzausgabe in keinem Bücherregal der Achtundsechziger. Ob seiner orthodoxen Grundorientierung wäre es sicher längst vergessen, hätte der »gescheite Georg Klaus« (so die FAZ 1961) darin nicht nebenbei alle wichtigen Schlagworte der Kybernetik und der damals populär werdenden Semiotik (Zeichentheorie) untergebracht. Dass der früh verstorbene Wissenschaftler selbst nicht in Vergessenheit geriet, ist vor allem seiner aus den Büchern »Semiotik und Erkenntnistheorie« (1963), »Die Macht des Wortes« (1964) und »Sprache der Politik« (1971) bestehenden Trilogie zu Theorie und Praxis des Zeichengebrauchs zu verdanken. Der parteiamtlich beschlossenen Abkehr von der Kybernetik 1971 konnte Klaus auf Grund einer nicht ausgeheilten Gelbsuchtinfektion kaum mehr wirksame Gegenwehr leisten; er verstarb drei Jahre darauf mit 61.

Anlässlich seines 100. Geburtstages am 28. Dezember ehrte die Arbeitsstelle für Semiotik der TU Berlin den herausragenden Wissenschaftler mit einem Themenheft ihrer »Zeitschrift für Semiotik« sowie einem gemeinsam mit der Leibniz-Sozietät und der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik veranstalteten Kolloquium.

Der Kommunist Georg Klaus hatte 1932 sein Mathematikstudium in Erlangen begonnen, das er - von den Nazis ins KZ Dachau verschleppt und 1942 trotz »Wehrunwürdigkeit« an die Ostfront gejagt - erst 1947 beim Logiker Max Bense in Jena fortsetzen konnte. Bereits 1950 wurde er dort Professor, drei Jahre darauf wechselte er an die Humboldt-Universität. »1955 veranstaltete Klaus mit uns ein Seminar, in dem er das Verhältnis von objektiver wissenschaftlicher Wahrheit und Parteilichkeit zur Debatte stellte« erinnerte sich seine ehemalige Studentin Camilla Warnke im Rahmen des Jubiläums: »Seine eigene Parteilichkeit bestand darin, den Subjektivismus von theoretischen und praktischen Entscheidungen als unvereinbar mit dem Wesen der kommunistischen Gesellschaft zu bekämpfen. Eine Partei, meinte Klaus mit Marx, die sich die Aufhebung der Klassen zum Ziel gesetzt hat, könne und dürfe nicht daran interessiert sein, ›irgendwelche gesellschaftlichen Tatsachen ideologisch bzw. philosophisch zu verschleiern‹, sondern allein daran, ›die volle gesellschaftliche Wahrheit aufzudecken… Und zwar ohne Rücksicht auf irgendwelche besonderen Interessen‹.« Zunftkollege Hans-Christoph Rauh würdigte Klaus mit den Worten: »Sein Glaube an eine fortschreitende Verwissenschaftlichung der marxistischen Philosophie war unerschütterlich.« Und doch gelang es auch Georg Klaus nicht, den erstarrten Lehrbuch-Marxismus aufzubrechen.

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