»Pro Patria«, gegen Schwarze

In Italien wurde erstmals ein Fußballspiel wegen rassistischer Fan-Gesänge abgebrochen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Der gebürtige Berliner und ehemalige ghanaische Nationalspieler Kevin-Prince Boateng verließ wegen rassistischer Chöre bei einem Spiel seines AC Mailand den Platz und löste so einen Spielabbruch aus. Mannschaft und Verein standen ihm sofort bei und werden dafür fast allseits gelobt. Ein erster Täter hat schon gestanden.
Die Begegnung mit dem Viertligisten »Pro Patria« (»Für das Vaterland«) firmierte eigentlich als »Freundschaftsspiel« – doch von Anfang an wurden die »nicht weißen« Spieler des Erstligaklubs AC Mailand beleidigt. Ein Teil des Publikums im kleinen Stadion von Busto Arsizio, einem Ort in der Nähe von Verona in Norditalien, hatte es am Donnerstag auf alle Spieler mit der »falschen Hautfarbe« abgesehen und buhte sie bei jedem Ballkontakt aus. Nach dem dritten Mal knallte der Deutsch-Ghanaer Kevin-Prince Boateng den Ball mit voller Wucht auf die Tribüne, bedankte sich mit einem Applaus bei dem Großteil der 2000 Zuschauer, die einfach nur gekommen waren, um sich das Spiel anzusehen, und zog sich dann das Trikot aus.
Der Schiedsrichter, der eigentlich schon sehr viel früher hätte einschreiten müssen, versuchte, Boateng zur Rückkehr zu überreden, aber der blieb hart und wurde dabei – und das ist etwas neues – von seiner Mannschaft und von den Offiziellen seines Klubs unterstützt. Das Spiel wurde endgültig abgebrochen.
Es ist das erste Mal, dass so etwas in Italien passiert ist, und das, obwohl sich in den großen und kleinen Stadien im Mittelmeerland rassistische und faschistische Chöre und Spruchbänder häufen. Bisher hatten immer nur die Beschimpften reagiert. Nur die Spieler der Mannschaft aus Treviso antworteten einmal kollektiv und liefen aus Solidarität bei einem Spiel mit schwarzer Schuhcreme im Gesicht auf. Insgesamt, so hat eine Anti-Rassismus-Organisation gezählt, hat es in der letzten Saison über 30 rassistische Vorfälle in der ersten Liga, gegeben.
Doch diesmal sind sich (fast) alle einig. »Ich hoffe, dass dies jetzt ein Präzedenzfall ist und sich auch bei offiziellen Spielen wiederholen kann«, sagte Mailands Trainer Massimiliano Allegri. »Italien muss in dieser Hinsicht ein zivileres und intelligenteres Land werden.« Auch Barbara Berlusconi vom Aufsichtsrat des Klubs, die mit einem brasilianischen Fußballer liiert ist, forderte »Null-Tolleranz« bei solchen Episoden: »Man kann nicht so tun, als sei man blind und taub!«. Ihr Vater Silvio, der berühmt-berüchtigte Politiker und Unternehmer, ist Eigentümer des AC Mailand.
»Eine große Mannschaft, ein großer Trainer«, kommentierte auch Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli, der sich seit eh und je für soziales Engagement im Fußball einsetzt. »Wir haben die Schnauze voll und dies ist ein Schritt in die richtige Richtung. Alle zusammen können wir diesen Rassisten einen Strich durch die Rechnung machen.«
Gianluigi Farioli hingegen, für Berlusconis Partei »Volk der Freiheit« Bürgermeister von Busto Arsizio, warf Boateng vor, dass er mit seinem Schuss in die Tribüne Kinder hätte verletzen können. Zu den rassistischen Chören sagte er: »Ich bin ganz sicher, dass diese Leute nicht aus meiner Stadt kommen.«
Marco Reguzzoni, ein Fraktionsvorsitzender der Partei Lega Nord im Nationalparlament, setzte noch einen drauf: Boateng sei kein ernst zu nehmender Spieler und nur eine »überbezahlte Mimose«.
Ein Täter gestand die Beleidigung, meldeten Medien am Freitag. Weitere Personen wurden vernommen. Ihnen drohen fünfjährige Stadionsperren.
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