Fanblock V
Der Einsatz von V-Leuten in Nordrhein-Westfalens Fußballstadien überschattet Treffen der DFL mit Fans
Jan-Henrik Gruszecki ist schockiert. Die Nachricht, dass vom nordrhein-westfälischen Innenministerium V-Leute zu Ermittlungen in der Fußballfanszene eingesetzt werden, erreichte den 28-jährigen Anhänger von Borussia Dortmund gestern in Frankfurt am Main. Als einer von zwei Vertretern der bundesweiten Faninitiative »12:12« nahm er auf Einladung der Deutschen Fußball Liga (DFL) an einem Hintergrundgespräch zwischen dem Verband und Fanvertretern teil.
»Es ist sehr bedenklich, dass sich die Politik genötigt fühlt, V-Männer gegen Fußballfans einzusetzen«, sagt Gruszecki gegenüber »nd«. Er bezweifelt die Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen und erinnert sofort an die Ermordung von Mehmet Kubaşık 2006 in Dortmund durch den Nationalsozialistischen Untergrund sowie die lange skandalös gescheiterte Aufklärung der NSU-Mordserie.
Spekulationen gibt es schon länger, Gewissheit seit gestern. Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland zugegeben, verdeckt in der Fanszene zu ermitteln. Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Piratenpartei vom 15. November vergangenen Jahres ließ lange auf sich warten. »Im nachgefragten Zeitraum setzten bzw. setzen die Polizeibehörden des Landes NRW weniger als zehn Vertrauenspersonen [...] ein«, heißt es dort.
Mit Blick auf die Ermittlungspannen im Fall des NSU ist der nachgefragte Zeitraum von 2008 bis 2012 interessant. Erschreckend ist, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung bei dem Einsatz von V-Leuten im Fußball zur Gefahrenabwehr den »verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit« erfüllt sieht.
Allein Fußballfans ermittlungstechnisch auf eine Stufe mit Terroristen und organisierter Kriminalität zu heben, ist schon mehr als fragwürdig. Und wie weit entfernt von der Realität die Politik zuweilen ist, zeigt der abschließende Satz der Antwort auf die Kleine Anfrage. »Der Landesregierung liegen im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Verhältnis zwischen Fangruppierungen nordrhein-westfälischer Fußballvereine und der Polizei durch den gefahrenabwehrenden Einsatz von Vertrauenspersonen gegen einzelne Gefahrenverursacher beschädigt wurde.« Worum bitte ging es denn in den vergangenen Monaten in der vollkommen überzogenen und überhitzten Sicherheitsdebatte?
Gut, dass es Leute wie Andreas Rettig gibt. Der 49-Jährige ist seit Anfang diesen Jahres neuer DFL-Geschäftsführer. Er geißelt offen »populistische Politiker«, sieht in dem Platzsturm Düsseldorfer Fans im Relegationsspiel gegen Hertha BSC »keine Gewalttat«, sondern einen »Ausdruck von Freude« und ist »froh, dass es Ultras gibt«. Er distanziert sich aber auch deutlich von Pyrotechnik und Gewalt.
Aber Rettig hält Wort und sucht tatsächlich den Dialog. Insofern ist er für Jan-Henrik Gruszecki schon ein Hoffnungsträger. Als Vertreter der Initiative »12:12« nahm er die Einladung nach Frankfurt am Main natürlich ebenso an wie die Fanorganisationen »ProFans« und »Unsere Kurve«. Diese leise Annäherung schreibt Gruszecki aber auch ein wenig stolz den Schweigeaktionen »Ohne Stimme keine Stimmung« in den Stadien im Dezember zu. »Durch die massiven Proteste hat die DFL gemerkt, dass es nur gemeinsam mit den Fans geht.« Beschlossen wurde gestern zwischen Verband und Fanvertretern nichts. Auf eine Tagesordnung wurde bewusst verzichtet. Vom nächsten Treffen Ende März erwartet Gruszecki jedoch mehr.
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