Die schwarz-weißen 20er
Das Buch »Licht und Schatten« zum Film in der Weimarer Republik von Hans Helmut Prinzler
Im Februar wird die Berlinale in ihrer Retrospektive die Folgen des Kinos der Weimarer Republik auf die ästhetische Entwicklung des Weltkinos vorführen. Glückliche Fügung also, dass wie zur besseren Einstimmung gerade jetzt ein Prachtband mit hunderten von Abbildungen und einem kenntnisreichen (wenn auch eher kurz gehaltenen) Begleittext das Weimarer Kino selbst noch einmal sinnlich erfahrbar macht.
»Licht und Schatten. Die großen Stumm- und Tonfilme der Weimarer Republik« erschien als Begleitbuch zu einer Fotoausstellung in München, die Ende Januar zu Ende geht. Der umfängliche Band ist aber mehr als ein klassischer Ausstellungskatalog. Bestückt mit Bildern aus den Sammlungen der Deutschen Kinemathek in Berlin (ergänzt durch vereinzelte Leihgaben aus den Beständen des Münchner Filmmuseums und des Deutschen Filminstituts in Frankfurt/Main), ist er ein visuelles Kompendium zur Filmgeschichte einer Zeit, in der in Deutschland Filme gedreht wurden, die einen bleibenden Eindruck auf die Fantasie von Zeitgenossen und Nachfahren ausübten.
F.W. Murnaus »Nosferatu« von 1922 gehört auch gute neunzig Jahre nach seiner Premiere zu den international am häufigsten neu vertonten Stummfilmen: kaum ein Komponist elektronischer Musik scheint an diesem Film vorbeizukommen. (Dass das Resultat oft weniger den Film als den Komponisten feiert, sieht man der schönen »Nosferatu«-Fotostrecke in Prinzlers Band glücklicherweise ja nicht an.) Fritz Langs »Metropolis« ist ein Stück filmischen Weltkulturerbes, auch wenn seine Botschaft von der Versöhnung von Kapital und Arbeitskraft durch die Vermittlung eines weichherzigen Jünglings und einer missbrauchten jungen Frau selbst zu seinen Entstehungszeiten politisch höchst naiv gewirkt haben muss.
Robert Wienes expressionistisches Schauerstück »Das Cabinet des Dr. Caligari« (1920), Murnaus Tragikomödie vom Verlust von Arbeit und Selbstwertgefühl in »Der letzte Mann« und Langs »Nibelungen«-Filme mit der einheitlichen Stilisierung ihres vielgerühmten Dekors sind weltweit gefeierte Stücke internationaler Filmkunst.
Von den drei Golem-Filmen von und mit Filmstar Paul Wegener findet sich der bekannteste bei Prinzler, »Der Golem, wie er in die Welt kam« von 1920. Ernst Lubitsch ist mit der üppigen Farce seiner späten Berliner Komödien vertreten, zum Beispiel »Die Bergkatze« von 1921 mit Pola Negri (die wie ihr Regisseur wenig später dem Ruf aus Hollywood folgen sollte). Aber auch mit »Anna Boleyn«, einem seiner international hochgerühmten Historienspektakel: Der deutsche Großstar Henny Porten in der Titelrolle und ein wuchtiger Emil Jannings als Heinrich VIII. wirken dabei wie direkt einem Holbein-Gemälde entsprungen.
Des weiteren treten auf: Asta Nielsen in Hosenrollen und Louise Brooks als Verführerin, Lil Dagover, damenhaft, und Marlene Dietrich, verführerisch. Arnold Fanck und der Bergfilm. Literaturverfilmungen von »Carmen« bis »Hamlet« und von Gerhard Hauptmanns »Rose Bernd« bis zur frühen »Buddenbrooks«-Adaption unter der Regie von Kinemathek-Gründungsdirektor Gerhard Lamprecht. Ebenso kommen zu Ehren: große Kameramänner, Architekten und Bühnenbildner sowie die Stadt Berlin, der »Blaue Engel«, Fritz Langs epochaler »M«.
Die kurzen Begleittexte zu den Filmen zitieren häufig zeitgenössische Kritiken. Der längere Einführungstext stammt von Hans Helmut Prinzler selbst, der als langjähriger Direktor der Deutschen Kinemathek genauestens kennt, wovon er schreibt.
Hans Helmut Prinzler: Licht und Schatten. Die großen Stumm- und Tonfilme der Weimarer Republik. Schirmer/Mosel, Deutsche Kinemathek München/Berlin. 308 S, 443 Abb., gebunden, 68 €
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