Unter falscher Flagge

Olaf Standke über den »Flaggenkrieg« in Nordirland

  • Lesedauer: 1 Min.

Es sind die längsten Proteste seit Jahren in Nordirland, seit einer Woche schon liefern sich pro-britische Loyalisten und die Polizei heftige Straßenkämpfe. Es ist vordergründig ein »Flaggenkrieg«, empören sich die militanten Protestanten doch darüber, dass der geliebte Union Jack nicht mehr jeden Tag auf dem Rathausdach von Belfast wehen soll. Und obwohl Pathos und Parolen auch bei den meist jungen Demonstranten verfangen, die jetzt zu Brandbomben, Flaschen und Steinen greifen, geht es um mehr als nur identitätsstiftende Symbolik.

Viele Protestanten fühlen sich als Verlierer des Friedensprozesses. Von den etablierten Unionisten-Parteien fühlen sie sich nicht mehr ausreichend vertreten, vom schneller wachsenden katholischen Bevölkerungsteil fast wie in alten Zeiten bedroht. Vor allem aber speist sich die Ohnmacht aus dem schier unaufhaltsamen wirtschaftlichen Abstieg und der grassierenden Bildungsmisere in der Region, für die die Regierung in London mit ihrer Politik maßgeblich verantwortlich ist. Versucht man in Nordirland nicht gemeinsam, die politischen wie wirtschaftlichen Ursachen des Konflikts zu bekämpfen, droht 15 Jahre nach dem bahnbrechenden Karfreitagsabkommen eine erneute Eskalation der Gewalt. Paramilitärische Organisationen wie die Ulster Volunteer Force sind längst dabei, die Proteste zu vereinnahmen.

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