Schiffbauer ohne Plan B
In Stralsund läuft der Werft-Betrieb wieder an
Stralsund. Mit weit ausholenden Bewegungen und per Funk dirigiert Schiffbauer Jan Kuchenbecker seine Kollegen von Kirow 2 und Kirow 3. »Es kann losgehen«, signalisiert er seinen Mitarbeitern. Langsam öffnet sich das 34 Meter breite Rolltor an der Schiffbauhalle, dann schieben die Kirow-Schwerlasttransporter im Schritttempo eine 490 Tonnen schwere Mittelsektion für das zweite DFDS-Schiff in die Halle. Der Lärm von Schweißgeräten und Hammerschlägen dringt nach außen.
Für Kuchenbecker klingen diese Geräusche wie Musik. »Es ist ein sehr, sehr gutes Gefühl, wieder arbeiten zu können«, sagt er mit funkelnden Augen. Mehr als zwei Monate war der für die Kräne und den Transport zuständige Meister in der Transfergesellschaft der P+S-Werften »geparkt«. So etwas will das nicht noch einmal erleben. »Das war ein Kräftesammeln für die Arbeit jetzt«, sagt er und lächelt verschmitzt.
Der 39-Jährige gehört zu den ersten 73 Arbeitern, die zum 14. Januar aus der Transfergesellschaft in die Stralsunder Schiffbaugesellschaft wechselten, um an den für die dänische Reederei DFDS bestimmten 195 Meter langen Schiffen weiter zu bauen. Seit der Kündigung der Verträge durch die dänische Seite im September 2012 ruhte die Arbeit an den Neubauten. Er sei froh, dass die Dänen den Vertrag endlich unterzeichnet haben, sagt Kuchenbecker.
Er und seine Kollegen wollen beweisen, dass man in Stralsund gute Schiffe bauen kann. Das Dilemma um die zu schweren Fähren für Scandlines, die nach dem Rückzug der Reederei am Kai auf einen neuen Käufer warten, hat am Selbstbewusstsein der Stralsunder Schiffbauer genagt.
Mit 16 Jahren begann Kuchenbecker seine Lehre als Konstruktionsmechaniker in Stralsund. Er hat das Auf und Ab der Stralsunder Werft miterlebt: die Vulkan-Krise, die Übernahme der Volkswerft durch den A.P.Moeller-Konzern, dann Hegemann - und zuletzt die P+S-Zeit. Trotz aller Krisen war der Arbeitsplatz in den Stralsunder Schiffbauhallen eine Konstante in seinem Leben. Arbeitslos war er nie. Auch deshalb ist Kuchenbecker überzeugt, dass es in Stralsund weitergehen wird. »Ich habe keinen Plan B«, gesteht er. So wie für die Schwester-Werft in Wolgast ein Käufer gefunden wurde, werde es auch für Stralsund einen Interessenten geben. Zusammen mit 50 Mitarbeitern aus der Restbelegschaft der P+S-Werften bereiten die aus der Transfergesellschaft Zurückgekehrten nun die DFDS-Rohbauten für den Weiterbau vor - obwohl der Vertrag noch nicht in Kraft ist.
Die Stralsunder Schiffbaugesellschaft will von dieser Woche weitere 176 Arbeiter auf die Werft schicken, um die Produktion zu starten. »Die Arbeitsverträge sind unterzeichnet«, sagt Geschäftsführer Stefan Säuberlich. Mit den 200 Mitarbeitern aus Kernverwaltung und Konstruktion sind dann wieder 500 von einst 1200 Schiffbauern in Stralsund tätig. Bis Frühjahr 2014 sollen die Schiffe für die Dänen fertig sein. Für den Bevollmächtigten der IG Metall, Guido Fröschke, ist dieser Auftrag die »Nagelprobe für den Standort«.
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