Versickerte Millionen, geschwärzte Akten
Der Schweriner Werften-Untersuchungsausschuss soll prüfen, ob die SPD/CDU-Regierung einen Anteil an der P+S-Pleite hat
Schwerin (dpa/nd). Der Schweriner Landtags-Untersuchungsausschuss arbeitet die Pleite der P+S-Werften in Stralsund und Wolgast chronologisch in drei Zeitabschnitten auf. Darauf verständigten sich die Mitglieder am Montag, wie der Ausschussvorsitzende Jochen Schulte (SPD) in Schwerin sagte. Zunächst werde die Entwicklung von Mitte 2009 bis zur Schaffung einer Treuhandlösung für die damals zur Hegemann-Gruppe gehörenden Werften Anfang 2010 untersucht. Später sollen zwei weitere Komplexe folgen: die Zeit von 2010 bis Ende 2011 und die Entwicklungen 2012 bis zur Insolvenz.
Der Ausschuss soll untersuchen, ob Mecklenburg-Vorpommerns SPD/CDU-Landesregierung bei ihren Rettungsbemühungen Fehler unterlaufen sind. Die Politik hatte immer wieder mit Bürgschaften und Darlehen in Millionenhöhe geholfen. Die Insolvenz konnte sie damit nicht abwenden.
Mitte 2009 waren erstmals finanzielle Schwierigkeiten der Schiffbaubetriebe in Stralsund und Wolgast bekannt geworden. Im Herbst jenes Jahres gewährte das Land ein erstes Darlehen über 28 Millionen Euro, wie die Obfrau der LINKEN im Untersuchungsausschuss, Jeannine Rösler, sagte. »Wir wollen unter anderem wissen, warum man sich 2009 für die Treuhandlösung entschieden hat«, sagte Rösler. Hegemann hätten damals auch andere Varianten zur Sanierung vorgeschwebt. Auch die Kosten der Treuhandlösung für das Unternehmen sollen beleuchtet werden, kündigte die Finanzpolitikerin an. Schulte und auch Rösler gehen davon aus, dass Ende April die ersten Zeugen zum ersten Themenkomplex gehört werden können. Er hoffe, dass dieser Themenkomplex bis zum Sommer abgearbeitet sein wird, sagte der Vorsitzende. Schulte zufolge hat die Landesregierung dem Ausschuss inzwischen alle rund 300 Akten zu den Vorgängen um die P+S-Werften zur Verfügung gestellt. Sie würden derzeit digitalisiert und für die Ausschussmitglieder bereitgestellt, sagte er. Indessen hält der Streit um Schwärzungen in den Akten an. Der Grünen-Obmann Johannes Saalfeld kritisierte, dass der Untersuchungsausschuss mit der Mehrheit von SPD und CDU einen Antrag der Grünen zurückgewiesen hat, Schwärzungen von der Landesregierung begründen zu lassen. Vor allem in den Akten aus dem Wirtschaftsministerium seien Stellen unleserlich gemacht, so Saalfeld. »Wer nichts zu verbergen hat, kann auch die jeweiligen Gründe klar benennen, warum bestimmte Aktenteile geschwärzt wurden«, meinte er. Das sei im Interesse von Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
In der vergangenen Woche hatte Insovenzverwalter Berthold Brinkmann den Insolvenzbericht zu den P+S-Werften vorgelegt. Danach haben die P+S-Werften die von der weltweiten Finanzkrise 2008/2009 ausgelöste Krise im Schiffbau trotz millionenschwerer Rettungsprogramme nicht überwinden können. Die Probleme hätten sich durch Defizite bei der Umstellung auf den Spezialschiffbau noch verstärkt.
Laut Bericht hat der Preisverfall im Containerschiffbau und der Ausfall bereits fest abgeschlossener Aufträge dramatische Folgen vor allem für den Schiffbaubetrieb in Stralsund gehabt. So hätten nach der Insolvenz eines Auftraggebers zwei Schiffe nur noch zum halben Preis verkauft werden können. Allein dadurch seien »Verluste in Höhe von 50 Millionen Euro« entstanden, heißt es in dem Bericht. Schlossen die P+S-Werften in Stralsund und Wolgast das Jahr 2008 noch mit einem Gewinn vor Zinsen und Steuern von 28,4 Millionen Euro ab, rutschten sie laut Brinkmann schon 2009 mit 6 Millionen Euro ins Minus.
Um in den Folgejahren bestehende Aufträge abarbeiten zu können, musste der Schiffbaubetrieb dem Bericht zufolge selbst immer größere Teile der Finanzierung vorschießen und dafür Kredite aufnehmen, unter anderem über das landeseigene Förderinstitut LFI. Das LFI-Darlehen sei mit 11,45 Prozent verzinst worden. »Die Zinsaufwendungen für 2010 und 2011 alleine betrugen rund 52 Millionen Euro«, heißt es in dem Bericht. Weitere Zahlungsverzögerungen durch Auftraggeber hätten die Finanzmisere noch verschärft.
Der Insolvenzverwalter stellt in seinem Bericht zudem fest, dass es dem früheren Werftmanagement nicht gelang, die für den Bau von Offshore-Anlagen und Fähren benötigten Ingenieurkapazitäten zu binden. Die Personalsuche nach qualifizierten Mitarbeitern habe sich als extrem schwierig herausgestellt, »was zum einen an der generellen Übernachfrage nach Schiffsbauingenieuren lag, zum anderen wurde offenbar bei Bewerbern der Standort Stralsund gegenüber anderen urbaneren Schiffsbaustandorten (z. B. Großraum Bremen und Hamburg) als wenig attraktiv angesehen«, heißt es in den Bericht.
Erhebliche Konstruktionsfehler bei den beiden Fähren für die Reederei Scandlines und Bauverzögerungen hatten dazu geführt, dass der Auftraggeber die Abnahme verweigerte und die Werft auch auf diesen Kosten sitzen blieb.
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