Befristet und schlecht bezahlt
Ex-Schlecker-Angestellte eint die Wut und die Schwierigkeit, einen Job zu finden
Etwa die Hälfte der einst etwa 25 000 Frauen, die bei Schlecker beschäftigt waren, sucht auch ein Jahr nach der Pleite noch nach Arbeit. Eine ganze Reihe von ihnen, nämlich diejenigen, die im März 2012 mit der ersten Kündigungswelle auf der Straße landeten, werden in wenigen Wochen auf Hartz IV gesetzt. Einige wenige der Entlassenen haben den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und führen ehemalige Schleckerfilialen als Dorfläden weiter. Wie die Arbeitsplätze aussehen, die 9800 Schlecker-Frauen nach ihrer Entlassung angenommen haben, ist nicht bekannt.
Christel Hoffmann gehört zu den letzten Beschäftigten von Schlecker. Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende wird mit ihren drei Gremien-Kolleginnen noch bis Ende März bezahlt. Die vier betreuen viele Ex-Kolleginnen. »Die Frauen kommen, rufen an oder mailen, wollen, dass wir uns einen neuen Arbeitsvertrag anschauen, fragen uns, wo sie Hilfe bekommen können«, erzählt Hoffmann. Sie schätzt die Lage für ihre einst 25 000 Kolleginnen als »schlecht bis miserabel« ein. »Wer in Lohn und Brot gekommen ist, musste in der Regel Abstriche machen.« Schlecker sei schließlich der einzige Drogeriemarkt gewesen, der komplett nach Tarif gezahlt hat, nachdem sich immer mehr Schlecker-Beschäftigte in den vergangenen Jahren gegen die miesen Arbeitsbedingungen gewehrt hatten. »Die Mitbewerber zahlen doch alle nach Gusto«, weiß Hoffmann. Es sei bitter zu erfahren, dass manche Arbeitgeber die verzweifelte Lage der einstigen Schlecker-Frauen ausnutzten und ihnen Stundenlöhne von fünf Euro anböten. »So einen Arbeitsvertrag habe ich gerade hier auf dem Tisch liegen.« Gerade mal zwei Kolleginnen kenne sie, die mit ihrer neuen Arbeit wieder auf Schlecker-Niveau kämen, alle anderen lägen bis zu 50 Prozent darunter, erzählt Hoffmann. Und die allermeisten hätten nur Teilzeitverträge ergattern können. »Na und damit kann man sein Leben ja nun gar nicht planen.«
Dass nun diejenigen Kolleginnen, die in der ersten Entlassungswelle im März vorigen Jahres ihren Job verloren und noch keinen neuen gefunden haben, demnächst bei Hartz IV landen, mache sie zornig, sagt die Gesamtbetriebsratsvorsitzende ohne Betrieb. Schuld daran hat für sie in erster Linie die Politik. Die habe sie, die Schlecker-Frauen, alleine gelassen: »Weil wir Frauen sind.«
Das sieht auch Leni Breymaier so. Die Verdi-Chefin von Baden-Württemberg, dem einstigen Stammsitz von Schlecker, wünscht sich eine breite Debatte über den Umgang mit Frauenarbeitsplätzen. »Ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass die Politik anders reagiert hätte, wenn es um 25 000 Arbeitsplätze von Männern gegangen wäre. Für Frauen fühlt sich einfach niemand zuständig.« Besonders unverzeihlich findet sie weiterhin das Verhalten der FDP, die im vorigen Jahr die Bürgschaft für einen Kredit verweigert hat, mit dem eine Transfergesellschaft finanziert werden sollte. »Hätten wir die Transfergesellschaft bekommen, hätte es nicht die vielen tausend Kündigungsschutzklagen gegeben. Und ohne diese Klagen wiederum hätte der Insolvenzverwalter viel bessere Chancen gehabt, einen Investor zu finden. Vielleicht also hätte mit der Transfergesellschaft die komplette Zerschlagung von Schlecker verhindert werden können.«
Aus der Pleite hat sie mehrere Forderungen an die Politik abgeleitet: »Einzelkaufleute wie Anton Schlecker müssen ab einer bestimmten Beschäftigtenzahl demokratisch kontrolliert werden, zum Beispiel durch einen Aufsichtsrat.« Damit könne man zwar keine Insolvenzen verhindern, aber zumindest gäbe es so die Chance, finanzielle Schwierigkeiten früher zu erkennen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. »Und es kann ja wohl nicht sein, dass Insolvenzverschleppung bei Einzelkaufleuten kein Straftatbestand ist«, so Breymaier. Zudem zeigten die Massenentlassungen einmal mehr die Folgen der Hartz-Gesetze. »Da sind tausende Frauen auf einem Arbeitsmarkt gelandet, der ihnen vor allem schlecht bezahlte Arbeit anbietet. Damit ist deutlich, dass wir einen Mindestlohn benötigen. Außerdem wollen wir wieder allgemeinverbindliche Tarifverträge für den Einzelhandel.«
Olga Papadopulo hat erst in diesem Monat angefangen, sich zu bewerben. Die 49-Jährige war Betriebsrätin bei Schlecker in der Region Stuttgart. »Nach meiner Entlassung im vorigen Herbst wurde ich erst mal krank.« Nun seien aber die ersten Bewerbungen raus, und demnächst hat sie auch wieder einen Termin bei der Arbeitsagentur in Esslingen, mit der sie bislang zufrieden ist: »Die sind nett und lassen mich in Ruhe.« Auf die Pleite schaut sie noch immer mit Zorn zurück. Die hätte vermieden werden können, wenn die Schleckers mehr auf ihre Mitarbeiterinnen gehört hätten. »Wir haben doch gesehen, ob Läden liefen oder nicht, welche Waren fehlten. Da brauchte man eigentlich nur gesunden Menschenverstand, um Schlecker zu retten. Wir haben uns mehr Gedanken über die Läden gemacht als Anton Schlecker.« Besonders wütend ist sie auf die Familie Schlecker: »Die haben sich nicht mal entschuldigt.«
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