Ende einer Epoche
Nach dem überraschenden Ausscheiden bei der WM steht die Übermannschaft aus Frankreich vor dem Umbruch
Nikola Karabatic starrte ins Leere. Während neben ihm die Kroaten ausgelassen tanzten, stand dem französischen Starhandballer der Schreck ins Gesicht geschrieben: So hatte sich der Ex-Kieler das Ende der goldenen Generation nicht vorgestellt.
Nach dem Aus des Titelverteidigers im WM-Viertelfinale gegen Kroatien (23:30) steht im französischen Handball ein Umbruch an. Die Niederlage der selbst ernannten »Experten« dürfte wohl das endgültige Ende der französischen Übermacht im Welthandball markieren.
»Danke für alles. Das Ende einer Epoche«, titelte die L'Equipe am Donnerstag, dem Tag der großen Depression. Und auch Karabatic spürte, dass am späten Mittwochabend etwas Großes zu Ende gegangen war. Zumindest Abwehrchef Didier Dinart (36) und Torhüter Daouda Karaboue (37) werden dem öffentlichen Vernehmen nach keine Partie mehr im Trikot der Équipe Tricolore absolvieren. »Es ist traurig, zu wissen, dass ich nie wieder ein Spiel mit den beiden bestreiten werde«, sagte Karabatic mit dünner Stimme.
Mit einem Durchschnittsalter von fast 30 Jahren hat die Übermannschaft der letzten Jahre ihren Zenit erreicht. »Einige Spieler werden aufhören, einige werden weitermachen. Wir haben auch junge Spieler, die auch schon viel gewonnen haben. Frankreich hat für die Zukunft noch große Ziele«, sagte Torhüter Thierry Omeyer. Es klang ein wenig wie das Pfeifen im Walde. Bei der WM in Spanien konnte man das Gefühl gewinnen, das Team sei nach den großen Erfolgen vergangener Jahre einfach satt.
Noch vor 15 Monaten hatten Omeyer und Co. als die »Außerirdischen« gegolten. Seit dem Olympiasieg 2008 war die Mannschaft von Trainer Claude Onesta bei großen Turnieren praktisch unschlagbar, gewann alles, was es im Welthandball zu gewinnen gibt. Frankreich wurde Olympiasieger (2008), zweimal Weltmeister (2009 und 2011) und Europameister (2010). Dem Absturz bei der EM 2012 in Serbien, als die versammelte Fachwelt nach Platz elf schon das Ende der französischen Ära heraufbeschworen hatte, folgte mit dem Olympiasieg von London die sportliche Wiederauferstehung.
Doch obwohl Karabatic und Omeyer noch vor dem Turnier in Spanien versichert hatten, noch immer »hungrig auf Erfolge« zu sein, merkte man der Mannschaft eine gewisse Schwere an. Spielten Les Bleus bei der völlig unerwarteten Vorrundenniederlage gegen Deutschland zumindest noch auf Augenhöhe, waren sie gegen die leichtfüßigen Kroaten schlicht chancenlos. »Wir wollten natürlich mehr«, sagte Omeyer: »Wir haben alles gegeben und sind sehr enttäuscht, dass wir verloren haben.«
Durch das frühe Ausscheiden verpassten die »alten Franzosen« nicht nur einen würdevollen Abschied ihrer alten Garde, ihnen entging auch ein Rekord für die Ewigkeit: Noch nie ist eine Mannschaft drei Mal in Folge Weltmeister geworden.
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