Rostock zwischen Zuversicht und Furcht

FC Hansa öffnet Samstag zum Spiel gegen Münster wieder die wegen Krawallen ein Jahr gesperrte Südtribüne

Leere. Tristesse. Die über zwölf Monate lang gesperrte Südtribüne im Stadion des FC Hansa Rostock war ein trauriges Sinnbild für die desolate Situation des Klubs. Abstieg im Mai 2012: Der Verein verschwindet wieder in der Drittklassigkeit. Der sportliche Niedergang brachte den FC Hansa auch diesmal wieder fast um seine Existenz - die drohende Insolvenz des mit knapp neun Millionen Euro verschuldeten Klubs konnte letztlich nur dank eines Hilfspakets der Rostocker Bürgerschaft abgewendet werden. Für den schlechten Ruf sorgten die eigenen Fans. Trauriger Höhepunkt: Am 19. November 2011 fliegen mehrere lebensgefährliche Leuchtgeschosse von der Südtribüne in den Gästeblock des FC St. Pauli. Seitdem ist es still auf der Südtribüne.

Dass nun alles anders werden soll, auch dafür steht die Südtribüne sinnbildlich. Heute, zum ersten Pflichtspiel der 3. Liga nach der Winterpause gegen den Tabellendritten Preußen Münster, wird sie wieder geöffnet. Der Grund? Das Geld! »In unserer Halbjahresbilanz fehlen 300 000 Euro«, sagt Aufsichtsratsmitglied Jan-Hendrik Brincker gegenüber »nd«. Zuletzt, im Dezember gegen Unterhaching kamen nur noch 6500 Zuschauer. Einige der aktiven Fans von der gesperrten Südtribüne hatten sich andere Plätze im Stadion gesucht. Aber längst nicht alle.

»Es droht derzeit keine Insolvenz, aber wir haben durch den geringeren Besuch deutliche Mindereinnahmen«, bilanziert Brincker. Gleichzeitig versichert er, dass die aktuelle Spielzeit durchfinanziert sei. Darin schließt er ausdrücklich auch die vier in der Winterpause neu verpflichteten Spieler ein. Das Problem ist vielmehr die nächste Saison. Man könne dafür nicht glaubwürdig die Lizenzunterlagen mit einem kalkulierten Zuschauerschnitt von 10 000 einreichen, wenn in der Vorsaison 3000 weniger gekommen sind, erklärt Brincker.

Zumindest nicht in der 3. Liga. Und mit dem Aufstieg liebäugelt in Rostock derzeit niemand. Der heutige Gegner Münster steht als Dritter auf dem Relegationsplatz. Der FC Hansa hat als Zehnter 14 Punkte Rückstand. »In der kommenden Saison können wir nach oben schauen«, zeigt Brincker eine hoffnungsvolle Perspektive auf. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass Rostock auch noch in dieser Saison sportlich eine gute Rolle spielen kann. Auch dank der geschlossenen Unterstützung von der wiedereröffneten Südtribüne.

Ist die Gefahr, die von ihr ausging, gebannt? »Natürlich ist nicht auszuschließen, dass wieder etwas passiert«, sagt Brincker. Aber derzeit ist die Zuversicht in Rostock größer als die Furcht. Weil einerseits die Südtribüne auch auf Empfehlung des Örtlichen Ausschusses für Sport und Sicherheit und in Absprache mit allen relevanten Partnern geöffnet wird. Andererseits, weil sich die Ultras auch geöffnet hätten. So sitzen Vertreter der Fanszene nun bei der Spieltagsvorbereitung mit der Polizei an einem Tisch. Und zudem sei seit der Schließung der Südtribüne im Stadion nichts mehr vorgefallen, so Brincker.

Ganz ohne Bedingungen wurden die Ultras aber nicht wieder auf ihre Stammplätze gelassen. Mit der Fanszene wurden dafür umfangreiche Vereinbarungen getroffen. Der Verzicht auf Pyrotechnik ist darin ebenso verpflichtend wie die Vorgabe, sich von Rassismus und Diskriminierungen jedweder Art zu distanzieren.

Nach jedem Heimspiel wird sich die neu gegründete »AG Südtribüne« treffen und das Geschehene bewerten. In der Arbeitsgemeinschaft sitzen gleichberechtigt mit jeweils einer Stimme Vertreter der Fanszene und des Vereins. Für den Fall von Fanausschreitungen müssen Konsequenzen einstimmig beschlossen werden. Gelingt dies nicht, wird der detailliert vereinbarte »Eskalationsplan« umgesetzt. Dieser reicht vom Entzug einzelner Privilegien der Ultras bis zur erneuten Tribünensperrung.

Brincker nennt die Schließung von 2011 eine »angemessene Reaktion« der damaligen Vereinsführung. Danach habe sie jedoch versäumt, das Fanproblem dauerhaft zu lösen. Diese Argumentation ist nicht neu in Rostock. Auch die alte Vereinsführung verwies auf das Versagen ihrer Vorgänger. Brincker und seine Kollegen in Aufsichtsrat und Vorstand, allesamt seit Dezember neu in der Verantwortung beim FC Hansa, wollen es besser machen. Sie setzen auf Transparenz und Kommunikation und wollen die soziale Verantwortung des Vereins stärken. Aber letztlich müssen sie sich, wie im Fußball üblich, am Ergebnis messen lassen.

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