Frankreich gespalten bei Adoptionsfrage
Proteste für und gegen Gesetz zur Homo-Ehe vor Debatte in Nationalversammlung
Bei der Debatte dürfte es hoch hergehen, denn es gibt nicht nur Gegensätze zwischen der linken Regierungskoalition, die das Gesetz trägt, und der Rechten, die es vehement ablehnt, sondern auch Meinungsverschiedenheiten und »Dissidenten« in beiden Lagern. So haben zwei UMP-Abgeordnete schon angekündigt, dass sie für das Gesetz stimmen werden, was ihnen in der Fraktionssitzung ein feindseliges Pfeifkonzert eintrug.
Aber auch unter den Sozialisten gibt es Abgeordnete, die mit dem Gesetz nicht glücklich sind. Als ein Teil der Fraktion gegen den Willen des Präsidenten und der Regierung einen Änderungsantrag vorlegte, der lesbischen Paaren über die Adoption hinaus auch das Recht auf künstliche Befruchtung zuerkennen will, kündigten 25 Abgeordnete an, dann gegen das Gesetz stimmen zu wollen. Um das Abstimmungsergebnis nicht zu gefährden, wurde der Antrag wieder zurückgezogen - offiziell bis zu einem neuen Familiengesetz.
Beim von Homosexuellenverbänden geforderten Recht scheiden sich die Franzosen. Umfragen zufolge sind 57 Prozent für die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare, das Recht auf Adoption befürworten nur 45 Prozent und die Möglichkeit für künstliche Befruchtung wird von 63 Prozent abgelehnt.
Entsprechend spielen bei den Aktionen der Gegner die Interessen der Kinder eine zentrale Rolle. Unter dem Motto »Kinder haben ein Recht auf einen Vater und eine Mutter« haben vor zwei Wochen in Paris eine Million Menschen demonstriert. Der Widerstand ist stärker als erwartet und geht nicht nur quer durch die Gesellschaft, sondern auch durch alle Parteien. Dabei wurde schon 1999 die Lebenspartnerschaft für homosexuelle Paare, die sie etwa in bestimmten Steuer- oder sozialen Fragen mit heterosexuellen Paaren gleichstellt, eingeführt.
Als Geste des Respekts für die Gegenseite empfing François Hollande am vergangenen Freitag eine Abordnung von drei der Organisatoren der Gegendemonstration im Élysée. Es ging vor allem um ihre Forderung, die Behandlung des Gesetzes im Parlament zu stoppen, eine landesweite Debatte zu organisieren und die Bevölkerung per Referendum entscheiden zu lassen. Aber darauf will die Linke nicht eingehen. »Wenn man 1981 das Schicksal der Todesstrafe nicht durch das Parlament, sondern durch den Wähler hätte entscheiden lassen, dann wäre sie sicherlich nicht abgeschafft worden, während es heute kaum noch einen Befürworter gibt«, erinnert ein sozialistischer Abgeordneter.
Um das Gesetz über die Homo-Ehe zu unterstützen, haben am Sonntag in Paris noch einmal mehrere Zehntausend Menschen demonstriert. Dazu hatten nicht nur die Sozialisten und andere linke Parteien sowie Bürgervereinigungen aufgerufen, sondern auch die beiden größten Gewerkschaftsverbände CGT und CFDT, die sich bisher aus der Auseinandersetzung herausgehalten hatten. Während Premierminister Jean-Marc Ayrault heute das Gesetz in der Nationalversammlung vorstellt und verteidigt, wollen draußen Tausende Anhänger einer fundamental-katholischen und rechtsextremen Organisation ein »Massenbeten« gegen die Ehe von Homosexuellen veranstalten.
Ehe vs. Partnerschaft
Die Niederlande erlaubten als erstes Land in Europa Homosexuellen die standesamtliche Ehe sowie das Recht auf Adoption (2001). Mehrere europäische Staaten sind dem Beispiel gefolgt. Dazu gehören Belgien (2003), Spanien (2005), Schweden (2009), Dänemark (2012; 1989 als erstes Land weltweit eingetragene Lebenspartnerschaft eingeführt), Norwegen (2008), Island (2010) und Portugal (2010). Über die eingetragene Lebenspartnerschaft sind Deutschland (2001), Frankreich (1999) und Großbritannien (2005) noch nicht hinausgekommen. In vielen osteuropäischen Staaten ist selbst diese bislang tabu, wie in Polen.
Als erstes Land in Afrika führte Südafrika im November 2006 die Homo-Ehe mit Adoptionsrecht ein. Als erstes Land Lateinamerikas tat dies im Juli 2010 Argentinien. In den USA ist die Homo-Ehe nur in einigen Bundesstaaten möglich.
Agenturen/nd
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