Die Axt am Demonstrationsrecht

Ägyptens Regierung plant massive Einschränkung gerade erst gewonnener Freiheiten

  • Markus Symank, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.
Begleitet von Appellen gegen Gewalt gab es am Freitag in Ägypten landesweit Proteste gegen die Regierung. Vor allem der Kairoer Tahrir-Platz war nach dem Freitagsgebet wieder Sammelpunkt von Demonstranten. In Port Said am Suez-Kanal demonstrierten bei strömendem Regen Tausende gegen die von Präsident Mursi verhängten Notstandsmaßnahmen.

Die Route, auf der Demonstranten marschieren wollen, haben sie dem Innenministerium bereits fünf Tage zuvor mitzuteilen. Masken wie am Donnerstag tragen sie nicht - aus Angst vor einer hohen Geldbuße. Zu keinem Zeitpunkt nähern sie sich einem Regierungsgebäude auf weniger als 500 Meter. Tun sie es doch, müssen sie damit rechnen, dass Sicherheitskräfte in die Menge schießen. Spätestens um 23 Uhr sollen alle Teilnehmer nach Hause gehen. Das Innenministerium kann die Kundgebung aber auch früher auflösen.

So etwa sollen Demonstrationen in Ägypten künftig immer ablaufen, geht es nach dem Willen der Regierung. Das Justizministerium präsentierte in dieser Woche einen entsprechenden Gesetzesentwurf, der das Recht auf öffentliche Proteste, wie sie seit Wochen im ganzen Land zu beobachten sind, massiv einschränken würde.

Menschenrechtler befürchten, dass die repressiven Maßnahmen den Sicherheitskräften als juristischer Vorwand dienen sollen, um mit noch größerer Härte gegen Regierungsgegner vorzugehen. »Präsident Mohammed Mursi hat anscheinend vergessen, dass er ohne spontane Massenkundgebungen nicht an die Macht gekommen wäre«, kritisiert ein Aktivist der Bewegung 6. April.

Nach der Verhängung des Ausnahmezustandes über drei ägyptische Städte in der vergangenen Woche muss sich Mursi einmal mehr den Vorwurf gefallen lassen, Methoden seines Vorgängers Husni Mubarak zu übernehmen. Unter dem langjährigen Präsidenten waren spontane Kundgebungen gesetzlich untersagt. Das Innenministerium konnte Demonstrationen jederzeit unter dem Vorwand verbieten, diese seien eine Bedrohung für die »nationale Sicherheit«.

Viele Demonstranten äußerten sich auch enttäuscht über Justizminister Ahmed Mekki, der bei Regierungskritikern ein hohes Ansehen genießt. Der langjährige Gegner Mubaraks gilt unter Aktivisten als einziger »Vertreter der Revolution« im derzeitigen Kabinett. Einige Beobachter wie der ägyptische Politologe Ahmed al-Naggar werfen Mekki jedoch schon seit Längerem vor, einseitig die Interessen der Islamisten zu vertreten.

Der Gesetzesentwurf erschwert die Annäherung zwischen islamischer Regierung und säkularer Opposition. Am Mittwoch waren fVertreter beider Seiten erstmals seit Monaten zusammengetroffen. Die Rolle des neutralen Vermittlers übernahm dabei Scheich Ahmed al-Tajjeb von der Al-Azhar-Universität in Kairo, Ägyptens einflussreichster Religionsgelehrter. Auf die Bedingungen für einen weiteren gemeinsamen Dialog konnten sich die verfeindeten politischen Lager allerdings nicht verständigen.

Das lose Oppositionsbündnis Nationale Heilsfront schlägt ein Gesprächsangebot Mursis nach wie vor als aus. Mit Kundgebungen in mehreren Städten unterstrich es am Freitag seine Forderung nach einer »Regierung der nationalen Einheit«, in der keine einzelne Partei dominieren soll. Die Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, lehnt den Vorschlag allerdings ab.

Stattdessen ist die Regierung weiterhin darum bemüht, die Demonstranten als Unruhestifter und Teil einer ausländischen Verschwörung zu diskreditieren. Sicherheitskräfte in Kairo teilten am Donnerstag mit, einen Demonstranten festgenommen zu haben, der israelische Pläne zur Sabotage mehrere Öleinrichtungen bei sich getragen habe. Das Nachbarland wies die Vorwürfe umgehend als »kompletten Unsinn« zurück.

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