Landnahme auf russisch
»A Long and Happy Life« von Boris Khlebnikov
Ein reißender Fluss; am Ufer russische Holzhäuschen. Schnitt. Ein Büro: Der junge landwirtschaftliche Unternehmer Sascha (Alexander Yatsenko) soll ein Dokument unterschreiben, in dem er sich verpflichtet, sein Land herzugeben. Dafür winkt eine satte Entschädigung, so die Politiker. Die Landübernahme sei ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen, und so sind alle glücklich, oder?
Sascha akzeptiert, unterschreibt aber noch nicht. Doch seine Arbeiter rebellieren. Sie wollen sich von der ehemaligen Kolchose nicht verjagen lassen, sie werden kämpfen. Sie werden ihn nicht im Stich lassen - sagen sie.
So sind die Fronten in Boris Khlebnikovs Drama verteilt. Die Bürokraten in Schlips und Kragen dort, die Bauern mit vom Leben gezeichneten Gesichtern hier. Sascha, der junge Spund mit dem fragenden Blick aus großen blauen Augen, dessen Freundin eigentlich als Sekretärin für die Gegenseite arbeitet, lässt sich von der Wärme und der Entschlossenheit seiner Angestellten überzeugen.
Doch ebenso wie der Fluss alles mitreißt, was sich ihm in den Weg stellt, sind auch in dem Landkonflikt die Schreibtisch-Bestimmer die Stärkeren - und sie wissen es. Die innere Unruhe des Helden fängt vor allem am Anfang eine nervöse Handkamera ein. Auch als eines Nachts wie ein böses Omen das Haus des Nachbarn niederbrennt. Da gaffen die Bewohner nur verstört, während Sascha, der Beweger, mit Eimern anrückt und sie zum Löschen auffordert. Die Passivität der anderen wird Sascha bald endgültig zum Verhängnis. Der junge Sturkopf ist nun voll auf Kampf eingestellt, doch seine Arbeiter kneifen bald einer nach dem anderen. Schließlich kommt es zur Katastrophe.
Um das alte und neue Russland - letzteres mit seinen Konsumverführungen - geht es in dem böse ironisch betitelten »A Long and Happy Life«. Doch letztlich läuft alles auf einen archaischen Konflikt hinaus, in dem die Auflösung drastisch ist und es kein Zurück gibt - schon gar nicht zu einem glücklichen Leben.
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