Angst und Lust im Berliner Derby
Der Aufstieg ist nach dem 2:2 für Hertha BSC weiter Pflicht – und beim 1. FC Union kein Tabu mehr
Eigentlich rede er nie davon, sagte Jos Luhukay – und tat es am späten Montagabend immer wieder. »Unsere Serie ist nicht gerissen«, betonte der Trainer von Hertha BSC oft. Mit dem 2:2 (0:1) gegen den 1. FC Union ist der Erstligaabsteiger seit nunmehr 19 Spielen ungeschlagen. Viel mehr Positives konnte der Niederländer dem Berliner Derby nicht abgewinnen.
In der aufregenden Atmosphäre des mit 74 244 Zuschauern bis unter das Dach gefüllten Olympiastadions habe Luhukay bei seinen Spielern vor allem Angst gespürt. Einen Blick ins Seelenleben der Hertha-Akteure gewährte Kapitän Peter Niemeyer: »Uns war bewusst, dass wir die Mannschaft sind, die in diesem Spiel etwas zu verlieren hat.« Eine Niederlage setzte es dank der späten Tore von Adrian Ramos (73. Minute) und Ronny (86.) zwar nicht, ein Rückschlag ist das glückliche Remis für Hertha BSC aber allemal.
Die zwei verlorenen Punkte kann der Tabellenzweite verkraften, das angeschlagene Selbstbewusstsein wiegt schon schwerer. Hielt Hertha BSC dem Druck des Aufsteigenmüssens bislang beeindruckend stand, überzeugte im Derby kein Spieler aus dem für Zweitligamaßstäbe sehr opulenten Kader. Den lustvoll aufspielenden und kämpfenden Köpenickern hatte Hertha einzig ihre besondere Qualität bei Standards entgegenzusetzen. So wuchtete Ramos den Ball per Kopf nach einer Ecke von Ronny ins Netz. Der Brasilianer selbst drosch einen Freistoß aus 25 Metern ins Tor.
Andere Qualitäten wie zügige Kombinationen oder öffnendes Spiel über die Außenbahnen blieben dank laufintensiver Abwehrarbeit und frühem Pressing des 1. FC Union verborgen. Die Viererkette im Mittelfeld der Köpenicker mit Torsten Mattuschka, Christoph Menz, Patrick Zoundi und Björn Jopek hielt die Räume durch unermüdliches Verschieben eng. Unterstützung bekamen sie durch die zurückfallenden Stürmer oder die aufrückenden Verteidiger. In der Offensive führte einfaches und schnelles Passspiel zu Chancen.
Simon Terodde, der eine davon nach neun Minuten per Volleyschuss aus Nahdistanz zur Führung genutzt hatte, verriet, dass das »Hauptaugenmerk auf der Defensive« lag. Sein stets anspielbarer Sturmpartner Adam Nemec erhöhte per Kopfball auf 2:0 (49.).
»Ein richtig geiles Spiel, wir waren absolut besser«, bilanzierte Mattuschka. Rasch war die Enttäuschung über den späten Ausgleich verflogen und die Erkenntnis gereift: »Wir können in der Liga mit jedem konkurrieren«, so Union-Trainer Uwe Neuhaus. Und: Aufstieg sei in Köpenick kein Tabuwort mehr, so Menz. Sie genossen den Abend. Jos Luhukay war hingegen froh, dass er bald vorbei sein würde.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.