Eile ist ein menschlicher Irrtum

Unterwegs am mittleren Rhein in Churfranken

  • Alexander Richter
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Region mag’s gerne vollmundig. Bei ihren Weinen, bei ihren hochprozentigen Bierspezialitäten, bei ihrer schmackhaften deftigen Regionalküche. Auch um Gäste in die Gegend zu locken, nimmt man hier den Mund gerne ganz schön voll: »Wo der Main am schönsten ist«, heißt es in der Werbung, die herausfordert. Alles übertrieben oder was?

Um es vorweg zu sagen: Auf Deutschlands touristischer Landkarte geht der mittlere Main, der sich seit einiger Zeit auch mit dem Kunstnamen »Churfranken« schmückt, zu Recht noch als Geheimtipp durch. Auch immer mehr Flusskreuzfahrer haben den Main - teilweise in Kombination mit Donau und Rhein - für Stippvisiten im Programm.

Die Lage des Landstrichs zwischen Spessart und Odenwald hat was: Politisch gehört Mainfranken zu Bayern, wobei der Fluss mit seinen vielen Kurven und Schleifen auch als Weißwurstäquator herhalten muss, der bekanntlich weiß-blau vom Rest der Republik trennt. Aber München, die Landeshauptstadt, ist weit weg und Frankfurt, die hessische Metropole, liegt »um die Ecke« (60 km). So wird im bayerischen Randgebiet ein Dialekt gepflegt, der eher an hessisch und württembergisch erinnert als an bayerisch.

Zum Beispiel im hübschen Miltenberg: Die Stadt, die im letzten Jahr ihrer Gründung vor 775 Jahren gedachte und sich als »Perle des Mains« feierte, hat mit über 500 Häusern das wohl größte Fachwerkensemble in Deutschland. Ein Bummel zwischen Mainzer- und Würzburger Tor ist wie eine Zeitreise, zu der auch die Einkehr ins urige Gasthaus »Riesen« gehört, das sich (wie anderswo andere) als »das älteste Gasthaus Deutschlands« bezeichnet. Bei einer zünftigen Bierprobe der kleinen, heimischen Faust-Brauerei wird die Zunge schnell locker und der Kopf benebelt, vor allem nach dem Probeschluck von zwei Premium-Bier-Raritäten, die als holzfassgereifter »Eisbock« und als »Auswandererbier für Warmduscher« viel zu stark sind. Übrigens: Man sollte sich Zeit lassen in Miltenberg, denn Eile ist ein menschlicher Irrtum, der in der bayerischen Provinz nicht sonderlich tief verwurzelt ist!

Mehr als für Bier steht die Region freilich für Wein, der in Franken gerne im typischen Bocksbeutel gereicht wird. Silvaner und Müller Thurgau vor allem, aber zunehmend auch roter Spätburgunder, erzählt Winzerin Barbara Gilbert aus Großostheim, die Gäste gerne und ausgesprochen gut gelaunt über den 70 Kilometer langen Rotweinwanderweg und durch die nahen Weinberge mit ihren kleinen Häuschen führt. Mit der fröhlichen Winzerin bleibt eine solche Wanderung nie trocken, sondern wird zum Weinerlebnis Franken. Das gilt auch für einen Besuch in einer der vielen Häckerwirtschaften (anderswo heißen sie Straußen- oder Besenwirtschaft), wo es längst nicht nur jungen Wein zu probieren gilt, sondern auch Gerichte wie Mostsuppe, fränkischen Blaatz oder Leiterchen.

Mit fast 20 Burgruinen, Schlössern und Klöstern ist Churfranken ähnlich dicht mit romantisch umhauchten Sehenswürdigkeiten bestückt wie das Weltkulturerbe Mittelrhein. Zwei Fürstenhäuser halten hier noch Hof: in Amorbach mit seiner berühmten barocken Abteikirche das Fürstenhaus zu Leiningen und in Kleinheubach das derer zu Löwenstein.

Apropos Amorbach: Der Name des kleinen Städtchens, in dem der Liebesgott - so könnte man glauben - seine Pfeile verschießt und der deshalb bei Liebespaaren und Brautleuten sehr beliebt ist, hat nichts mit dem Amor, dem Römer, zu tun. Die Herkunft des Namens leitet sich wenig romantisch von »Ammer« für »sumpfiges Gewässer« ab - und aus Ammerbach wurde im Laufe der Jahrhunderte Amorbach. Schön ist’s hier trotzdem und mit dem »Schafhof« (www.schafhof.de) lädt das wahrscheinlich beste Hotel der Region zum Verweilen ein. Ansonsten hat Churfranken hoteltechnisch noch »Luft nach oben« - Ausnahmen wie der »Adler« in Bürgstadt (www.adler-landhotel.de) bestätigen die Regel.

Wer wirklich in die Luft gehen und sich die Windungen des Mains aus der Vogelperspektive anschauen will, kann das auch. Rundflüge gibt’s vom Flugplatz in Mainbullau (www.edfu.de) ab 30 Euro.

Infos: www.churfranken.de

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