Britische Regierung zieht die Zügel an

Kritik an Supermärkten wegen Stillschweigens und späten Handelns / Festnahmen in Schlachthöfen

  • Elisa Elschner, London
  • Lesedauer: 2 Min.
Großbritannien meldet die ersten Festnahmen im Pferdefleischskandal. Die Regierung kritisiert den Einzelhandel. Der Skandal wird noch lange andauern.

Die britische Regierung hat kurz vor der Veröffentlichung erster Testergebnisse den Supermarktketten einen Seitenhieb erteilt. Gegenüber der BBC kritisierte die Downing Street das bisherige Stillschweigen der Einzelhändler und bemängelte, dass einige der mit Pferdefleisch versetzten Rindfleischprodukte nicht sofort aus dem Verkauf gezogen wurden.

Elf der größten Supermärkte versuchten in einem gemeinsamen Schreiben ihr Vorgehen zu rechtfertigen. Darin betonten sie, die Wut ihrer Kunden zu teilen. Auch versicherten die Einzelhändler, »rund um die Uhr« gearbeitet zu haben, um dem Skandal auf den Grund zu gehen.

Lexikon Polymerase-Kettenreaktion

Die Suche nach Pferdefleisch in Lebensmitteln erfolgt nach dem gleichen Prinzip wie ein Vaterschaftstest. Bei einer Polymerase-Kettenreaktion (PCR) wird aus den Proben Genmaterial entnommen und eine charakteristische Stelle vervielfältigt, erläutert Martin Klempt, Molekularbiologe im Max Rubner-Institut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe. So könne man »Verunreinigungen in einem Bereich von 0,01 Prozent erkennen«. Während beim Vaterschaftstest mindestens 16 Gene untersucht werden müssen, reichen bei Pferdefleisch zwei. Der Preis für eine Untersuchung liegt zwischen 50 und 200 Euro. Laut Klempt lasse sich das Ergebnis »innerhalb eines Vormittags« liefern. dpa/nd

Die Lebensmittelaufsicht hatte die umfangreichen Tests vergangene Woche angeordnet. Mit der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse wollen die Supermärkte das Vertrauen ihrer Kunden zurückgewinnen. Helen Dickinson, Sprecherin des Branchenverbands British Retail Consortium, erklärte aber, bis alle Produkte getestet seien, werde es »noch einige Wochen dauern. Dafür gibt es schlicht zu viele Produkte und die Laboratorien sind ausgelastet.«

Die bisherigen Testergebnisse fallen gemischt aus. Die Supermarktkette Asda gab an, Pferdefleisch in Bolognese-Sauce gefunden zu haben. Der Hersteller Whitbread, der Hotels und Gaststätten mit Fleischprodukten beliefert, erklärte, Pferd in Lasagne und Rindfleisch-Hamburgern gefunden zu haben. Zudem wurden Rindfleischprodukte in Krankenhäusern, Schulkantinen und Gefängnissen positiv getestet. Dagegen teilten die Supermärkte Sainsburys, Iceland, Co-Operative und Morrisons mit, bislang in keinem ihrer Rindfleischprodukte Pferdefleisch gefunden zu haben. Dies gilt auch für den Supermarktriesen Tesco. Dort war aber Mitte Januar Pferdefleisch in Hamburgern entdeckt worden, was den internationalen Skandal ins Rollen brachte.

Derweil zieht die britische Regierung die Zügel weiter an. Nach einer Razzia in zwei Schlachthöfen in Wales und Yorkshire Anfang der Woche nahm die Polizei am Donnerstagabend drei Verantwortliche fest. Acht der beschlagnahmten Pferdekadaver wiesen Spuren des für den Menschen schädlichen Medikaments Phenylbutazon auf. Beide Unternehmen weisen jede Schuld von sich. Es wird vermutet, dass das Fleisch von sechs der acht Tiere in Frankreich in die Nahrungskette gelang. Die britische Polizei und Lebensmittelaufsicht ermitteln auch gegen das Schlachthaus Peter Boddy, das für den Abtransport tödlich verunglückter Tiere vom jährlichen Pferderennen »Grand National« verantwortlich ist. Die Behörden befürchten, dass der Schlachthof die verunglückten Pferde in die Lebensmittelkette einspeiste.

David Heath, britischer Minister für Ernährung, erklärte, dass die britische Regierung »die bislang umfangreichste Untersuchung« krimineller Aktivitäten in Europa eingeleitet habe. Gleichzeitig betonte der irische Agrarminister Simon Coveney, dass mit mehr als nur einem Verantwortlichen zu rechnen sei.

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