Manipulierte Stimmzettel

Der Kieler CDU-Kreisparteitag musste nach Betrugsversuchen wiederholt werden

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Welle von Blitzeintritten meist migrantischer Bürger in einen Kieler CDU-Kreisverband wirft ein grelles Licht auf die konservative Chaostruppe im hohen Norden.

Die Nord-CDU ist derzeit wie eine einzige Baustelle. Nicht genug, dass die Landespartei nach dem Rücktritt ihres Vorsitzenden Jost de Jager im Vormonat führungslos ist, nun ist der Kieler Stadtverband auch noch in eine Manipulationsaffäre verwickelt.

Am 19. Januar musste der Parteitag zur Aufstellung der Direktkandidaten und der Listenreihenfolge für die am 26. Mai anstehende Kommunalwahl nach dubiosen Vorfällen bei einzelnen Abstimmungen abgebrochen und jetzt am Samstag fortgesetzt werden. Mit 176 stimmberechtigten Teilnehmern wollte knapp ein Viertel der Parteimitglieder aus der Landeshauptstadt hautnah nachvollziehen, welches Chaos da über sie hereingebrochen ist.

Stimmzettel-Blöcke lagen frei herum

Am 19. Januar hatte ein Mitglied beobachtet, wie ein anderes Mitglied bei einer Abstimmung mindestens zwei Stimmzettel abgegeben hatte. Vor Ort stellte sich heraus, dass etliche Personen zu frei herumliegenden Stimmzettel-Blöcken Zugang hatten und dass bei Durchsicht der Stimmzettel pro Wahlgang identische Schriftbilder zusammen mit identischen Namensfalschschreibungen und identischem Votum vorlagen. Daraufhin wurde die Wahlprozedur abgebrochen und ein beruflich als Staatsanwalt tätiges Parteimitglied mit einem Bericht beauftragt. Dieser wurde am Samstag unter Auslassung der Namen vorgestellt, wobei es im Tagungssaal ein offenes Geheimnis war, wer in die Affäre verwickelt ist. Der Bericht erhebt Wahlfälschungsvorwürfe, sodass sich nun das Parteigericht mit dem Fortgang der Angelegenheit beschäftigen muss. Derzeit scheint es, als laufe die Affäre zumindest auf ein Parteiausschlussverfahren hinaus.

In Rücksprache mit dem Kreiswahlleiter wurden alle am 19. Januar vorgenommenen Wahlgänge bestätigt. Der Kreisvorstand sprach sich dabei für eine Neubesetzung der strittigen Direktwahlkreiskandidatur aus. Das wäre aber nur über einen Verzicht der nominierten Person möglich gewesen oder über eine Abwahl. Für Letzteres hätte solch ein Tagesordnungspunkt auf der Einladung stehen müssen, was aber nicht der Fall war. Da das angeschuldigte Mitglied nicht an Rücktritt denkt, soll am 22. März die Abwahl erfolgen.

Seltsame Invasion von Neumitgliedern

Unterdessen wurde bekannt, dass es im CDU-Ortsverband (OV) Mettenhof, aus dem auch die beschuldigte Person kommt, seit Sommer eine »Mitgliederinvasion« von 58 auf jetzt 130 Parteibuchinhaber gegeben hat. Damit sind die Mettenhofer in kurzer Zeit zum größten Kieler Ortsverein geworden. Die meisten dieser »Neuen« haben einen migrantischen Hintergrund. Nun steht der Vorwurf im Raum, dass putschartig Mitglieder mobilisiert wurden, um bestimmte Kandidaten durchzudrücken.

Dazu liegen widersprüchliche Aussagen vor. Einige Neumitglieder wollen ihren Beitritt gar nicht selbst unterschrieben haben. In diesem Zusammenhang wird dem Kieler CDU-Vorsitzenden Thomas Stritzl Führungsschwäche vorgeworfen. Der Ratsherr Sönke Lintzen hat bereits sein Mandat niedergelegt und den Kreisverband gewechselt.

Die Affäre erinnert an einen Fall Ende 2005 in Hamburg, wo sich im CDU-Ortsverein Finkenwerder binnen kurzer Zeit zu einer Mitgliederstärke von 78 Personen über 200 Neueintritte gesellten. Auch damals schlugen die Wogen hoch.

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