Doping, Druck und Depression
Eine Studie der Deutschen Sporthilfe belegt die negativen Auswirkungen des Hochleistungssports
»Überrascht waren wir nicht. Es gab schon viele Studien, die ähnliche Resultate hatten«, sagt Michael Ilgner. Die Deutsche Sporthilfe hat ihre eigene Analyse zu »Dysfunktionen im Spitzensport« in Auftrag gegeben, und nun soll ihr Vorstandsvorsitzender kommentieren, dass mindestens sechs Prozent der von der Stiftung geförderten Athleten regelmäßig dopen. Auch andere Gefahren für die eigene Gesundheit nehmen die Athleten auf der Jagd nach Medaillen in Kauf. Selbst vor Wettkampfmanipulationen schrecken sie nicht zurück. »Die Zahlen (s. Tabelle rechts) belegen eindringlich, als wie schwer die Spitzenathleten ihren Alltag empfinden«, so Ilgner.
Professor Dr. Christoph Breuer und Dr. Kirstin Hallmann von der Sporthochschule Köln haben 1154 Sportler und 2008 Nicht-Sportler zu Doping, Wettkampfmanipulationen und Gesundheitsgefährdungen im Sport befragt. »Die Sporthilfe ist hier bemerkenswert offen«, sagt Breuer dem »nd«. »Diese Studie bedient nicht gerade ein positives Image.« Fürwahr muss Ilgner eingestehen, dass die Zahl der Doper »zu hoch« ist.
Die Dunkelziffern von Manipulatoren und Depressiven sind noch höher, denn bis zu 42 Prozent der Sportler antworteten auf diese Fragen gar nicht. Geht man davon aus, dass jene, die gegen Regeln verstoßen, lieber schweigen, könnte der Anteil der Doper bei etwa 15 Prozent liegen. »Der Sport ist nicht dopingfrei. Aber die Annahme, dass die Mehrheit der Sportler dope, ist auch falsch«, sagt Ilgner. Die Studie besagt jedoch selbst, dass die Bevölkerung »nur« von 29 Prozent Dopern unter den Athleten ausgeht.
Die Stiftung wollte Basisdaten zur Verbesserung der Förderung erhalten. Der Studie zufolge führen die Athleten Regelverstöße und Depressionen vor allem auf hohen Erfolgsdruck zurück. »Wir wollen Erfolg, aber wir wollen ihn nicht um jeden Preis«, sagt Ilgner. »Die Sportler sollen ihr Leistungsstreben entfalten können, aber ohne dass wir sie darauf reduzieren.« Trotzdem sehen viele Athleten im Gebrauch von nicht als Doping geltenden Schmerzmitteln kein Problem, obwohl auch das Ausschalten der körpereigenen Warnfunktion die Gesundheit gefährdet.
Änderungen hat die Sporthilfe bereits im Herbst 2012 eingeführt, als ihr die Rohdaten der Studie vorlagen. So sind Medaillen bei WM und EM nicht mehr ausschlaggebend für die Höhe der Förderung. Olympische Medaillen bringen zwar weiterhin mehr Geld, die Vorbereitung auf die berufliche Karriere nach dem Sport bekommt aber mehr Gewicht. Auf diese Art wolle man die Existenzängste der Sportler bekämpfen. Junge Athleten werden nun schon im ersten Jahr zum Laufbahnberater geschickt. Jedoch fällt auf, dass Profisportler (Fußball, Basketball etc.), die noch mehr von Erfolg und Vermarktung abhängig sind, nicht befragt wurden, da sie nicht von der Sporthilfe gefördert werden.
Einen Ombudsmann für mit Doping in Kontakt geratene Sportler führt die Sporthilfe aber nicht ein. »Den gibt es schon bei der NADA. Da gehört er auch hin«, so Ilgner, dessen Stiftung Gründungsmitglied der Nationalen Antidoping-Agentur ist. »Die NADA ist ein entscheidender Faktor im Antidopingkampf. Aber wir dürfen nicht alles auf ihr abladen.«
Die NADA-Vorsitzende Andrea Gotzmann wehrt sich derweil gegen den Vorwurf, zu ineffizient nach Dopern zu fahnden. »Wir sind ja nicht blauäugig. Wir kämpfen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln«, teilt sie »nd« mit. Der Anteil an erwischten Athleten liegt jedoch weit unter dem derer, die Doping zugeben. »Wir wissen, wie schwer es ist, gedopte Sportler zu überführen. Aus Gesprächen mit überführten Athleten ist uns aber auch bekannt, dass man schon kriminelle Energie aufwenden muss, um die immer besser werdenden Kontrollen irgendwie zu umgehen.«
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