Gift für Jahrzehnte

2002 erschütterte ein Chemiemüll-Skandal Bayerns Landwirtschaft - ausgestanden ist die Sache nicht

  • Klaus Tscharnke, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Es war einst der größte Umweltskandal in der bayerischen Landwirtschaft. Seitdem sind elf Jahre vergangen, doch die Affäre beschäftigt weiter Behörden und Gerichte.

Ansbach. Es war ein Umweltskandal, der buchstäblich zum Himmel stank: Wen es im Frühjahr 2002 zufällig in den kleinen mittelfränkischen Weiler Haag bei Neuendettelsau verschlug, den empfing schon von weitem ein beißender Gestank. Wo der herrührte, war schnell klar: Auf den umliegenden Feldern schwamm ein rot schimmernder Chemikalien-Cocktail aus stinkender Ameisensäure, giftigem Anilin und krebserregendem Toluol. Die Herkunft der Stoffe: Industriebetriebe aus ganz Deutschland.

Ausgebracht hatte den Giftmix ein damals 34 Jahre alter Landwirt, dem die für seine Biogasanlage bestimmten Chemieabfälle zunehmend über den Kopf gewachsen waren. Statt sie zu Biogas zu vergären, wie er es zunächst vorhatte, verteilte er sie mit einem Güllewagen auf seinen Feldern - insgesamt mehr als 5000 Tonnen. Denn am Hoftor standen schon die nächsten voll beladenen Chemielaster. Strafrechtlich ist Bayerns größter landwirtschaftlicher Umweltskandal längst aufgearbeitet. Ein Streit um Schadenersatz dauert dagegen bis heute an. Es geht um mehr als zwei Millionen Euro Steuergeld, die der Freistaat zur Sanierung der Giftäcker vorgestreckt hat - und um die er seit Jahren kämpft.

Am 27. Februar geht der jahrelange Streit um einen Teil der Summe nun vor dem Verwaltungsgericht Ansbach in eine weitere Runde. Ein südhessischer Müllmakler klagt dort gegen den Bescheid des Landratsamtes Ansbach über 503 000 Euro. Dass selbst elf Jahre nach Bekanntwerden des Umweltskandals die Schadenersatzfrage noch immer nicht rechtskräftig geklärt ist, hängt auch mit juristischen Fehleinschätzungen des Landesamtes für Finanzen zusammen, das als Kläger für den Freistaat auftrat. So dauerte es Jahre, bis den Landesjuristen klar war, dass sie mit einer Klage auf Schadenersatz gegen den Müllmakler juristisch auf dem Holzweg waren. Die vorgestreckten Sanierungsmittel könnten allein per Gebührenbescheid zurückgefordert werden, hatte Bayerns Verwaltungsgerichtshof 2011 entschieden.

In dem nun angesetzten Verfahren dürfte auch noch einmal die zwielichtige Rolle des südhessischen Müllentsorgungsunternehmens bei dem Giftäcker-Skandal beleuchtet werden. Immerhin hatte das Landgericht Ansbach zwei Manager der Firma im Januar 2008 zu Geldstrafen von zusammen 65 000 Euro verurteilt - wegen vorsätzlicher Boden- und Gewässerverunreinigung. Im Auftrag zahlreicher Unternehmen hatten sie zwischen März 2000 und März 2002 mehr als 3200 Tonnen Abfallchemikalien nach Neuendettelsau vermittelt und transportiert.

Eine Beteiligung an den Sanierungskosten lehnt das Unternehmen weiter ab. Der Anwalt des südhessischen Müllmaklers, Stephen Lampert, zweifelt die Rechtmäßigkeit des Bescheides gleich in mehrfacher Hinsicht an: »Das Problem ist, dass der Bescheid des Landratsamtes sehr unbestimmt ist: Man weiß eigentlich nicht, wofür das Unternehmen zahlen soll«, argumentiert der Jurist.

Zugleich wehrt sich das Unternehmen dagegen, praktisch allein für die Entleerung der Biogas-Tanks und anderer Sanierungskosten zur Kasse gebeten zu werden. Schließlich habe es mehr als 30 Firmen gegeben, die in Neuendettelsau Chemikalien hätten entsorgen lassen. »Und in längst nicht allen Fällen lief das über die von mir vertretene südhessische Müll-Maklerfirma«, betonte der Anwalt. Zudem habe ja erst behördliches Versagen den Skandal ermöglicht.

Tatsächlich funktionierte das große Geschäft des Biogas-Betreibers mit Industriechemikalien jahrelang vor allem dank mangelnder Behördenabsprachen: Während das Landratsamt Ansbach bei der Erteilung von Entsorgungsnachweisen auf die fachliche Kompetenz des Landesamtes für Umwelt baute, verließ sich das Landesamt wiederum auf die vermeintlichen Vor-Ort-Kenntnisse des Landratsamtes. Dass die in Selbstbauweise errichtete Biogasanlage nur einen Bruchteil der 85 genehmigten Stoffe verarbeiten konnte, wurde beiden Behörden erst klar, als auf den Äckern bereits der Giftcocktail schwamm.

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