Gas geben für die Bremse

Sachsens Oppositionsparteien wollen Verfassungsänderung vorantreiben

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
In Sachsens Verfassung soll eine modifizierte Schuldenbremse aufgenommen werden. Bevor der Landtag abstimmt, hat zunächst teilweise die Parteibasis das Wort. Ausgang: offen.

So klingt eine Politikerin in Hochstimmung: Mit der modifizierten Schuldenbremse, die in Sachsens Verfassung geschrieben werden soll, kann man »politische Geschichte« schreiben. Das sagt Antje Hermenau, Fraktionschefin der Grünen im Landtag. Sie nennt es »vernünftig und gut«, dass sich der Freistaat einerseits zum Verzicht auf neue Schulden bekennt, zugleich aber ein Hintertürchen für tiefe Konjunkturdellen offen hält. Ihre Parteifreunde hat sie überzeugt: In Parteirat und Fraktion gab es jeweils nur eine Gegenstimme zu dem Paket. Dass es auf einem Parteitag im März noch zu einer bösen Überraschung kommt, ist unwahrscheinlich. Über die Schuldenbremse wird dort erst am drittem Tag gesprochen. Ein Aufregerthema sieht anders aus.

So nüchtern wie bei den Grünen wird die Debatte über die erste Verfassungsänderung seit 1993 in Sachsen nicht überall geführt. Am 1. Februar hatten sich die fünf Fraktionschefs von CDU und FDP sowie LINKEN, SPD und Grünen auf einen gemeinsamen Vorstoß geeinigt. Bei der Opposition gibt es jedoch jeweils »Gremienvorbehalte«. Soll heißen: Bevor die Fraktionen im Landtag an der Abstimmung teilnehmen, müssen Partei und Basis befragt werden.

Spannender als bei den Grünen, die sich auf Parteitagen seit Jahren für Schuldenbremsen ausgesprochen hatten, wird die Debatte bei der SPD. Sie hat das Instrument zwar in einigen Ländern bereits mitgetragen. In Sachsen hatte ein Parteitag 2010 allerdings einen »Nein, aber«-Beschluss gefasst. Demnach sind die Genossen im Grundsatz gegen die Schuldenbremse - es sei denn, eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen ist gewährleistet. Ein solcher Passus wurde jetzt ausgehandelt. Ob die Basis damit zufrieden ist, soll ein Mitgliederentscheid zeigen - der erste zu einer Sachfrage bei Sachsens SPD. Den wollte der Landesvorstand gestern Abend in die Wege leiten; das Ergebnis soll im April vorliegen.

Die stärksten Kontroversen gibt es bei der LINKEN. Dort werden Schuldenbremsen prinzipiell abgelehnt. Dass sich die Fraktion in Sachsen daran beteiligen will, eine solche in die Verfassung aufzunehmen, sorgt für Unruhe. Die Fraktionschefs von Bund und Ländern betonten, es handle sich um einen »sächsischen Sonderweg«. Der Bundesausschuss bat die Sachsen per Beschluss, im Landtag nicht zuzustimmen. Der Parteivorstand debattierte den Fall und stellte danach noch einmal klar, man lehne das Instrument ab.

Die Ablehnung teile man, heißt es in Sachsen; allerdings werde ein Neuverschuldungsverbot bald ohnehin für alle Länder gelten. Das im Freistaat ausgehandelte Paket bewirke jedoch, dass der Schuldenbremse »die unsozialen Zähne gezogen« würden, sagt Rico Gebhardt, der Landes- und Fraktionschef. Die LINKE habe durchgesetzt, dass es in Zukunft einen Grundsatz des »sozialen Ausgleichs« für die Erstellung des Landesetats gibt. Für Zustimmung »werbe ich persönlich«, erklärte Gebhardt. Die Fraktion weiß er bereits hinter sich: Dort stimmten 14 von 21 anwesenden Abgeordneten zu, nur fünf waren dagegen.

Die Parteibasis sollte bisher nur in Form eines Kleinen Parteitags konsultiert werden, dem die Landes- und Fraktionsvorstände, der Landesrat sowie die Vorsitzenden der Kreisverbände angehören und der heute in Weinböhla tagt. Das Votum gilt als offen. Denkbar ist aber auch, dass das letzte Wort an einen regulären Parteitag weitergereicht wird. Entsprechend Plädoyers waren sowohl bei Befürwortern als auch bei Kritikern zuletzt verstärkt zu vernehmen.

Eine wichtige Rolle bei der Abstimmung dürfte auch parteitaktisches Kalkül spielen. Erstmals hat die CDU bei der Verfassungsänderung ihre Blockade der LINKEN aufgegeben. Hinter die Linie wird sie künftig nicht mehr zurück können, meint die Grüne Hermenau: Werde die Verfassungsänderung von fünf Fraktionen getragen, dann »wird das die Parteiengeschichte in Sachsen verändern«.

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