Das Ei in der Mogelpackung

In einigen Bundesländern wurden Eier fälschlicherweise als Bioprodukte gekennzeichnet

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Erst das Pferdefleisch, nun die Eier: Immer deutlicher wird, dass sich die Verbraucher nicht auf Produktkennzeichnungen verlassen können.

Der Skandal um nicht deklariertes Pferdefleisch in Fertigprodukten hat seinen Höhepunkt gerade überschritten, da sorgt die nächste großangelegte Verbrauchertäuschung für Empörung - diesmal geht es um Eier. Millionen davon sollen als Bio-Eier gekennzeichnet und verkauft worden sein, obwohl die Produktionsbetriebe die Ökovorgaben nicht erfüllten. Insgesamt 150 Betriebe, die meisten davon in Niedersachsen, haben demnach zu viele Tiere auf zu kleinem Raum gehalten. Jedem Huhn in Biohaltung müssen laut Gesetz vier Quadratmeter Auslauf zur Verfügung stehen.

In Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es laut der Staatsanwaltschaft Oldenburg ebenfalls Verdachtsfälle; auch zwei Höfe in Thüringen sollen betroffen sein. Ermittelt wird zudem in den Niederlanden und Belgien. Erste Verdachtsfälle in der Sache, die der »Spiegel« am Sonntag bekannt gemacht hatte, hatte es bereits Ende 2011 gegeben. Mit Rücksicht auf die Ermittlungen seien die Fakten aber bisher nicht veröffentlicht worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Am Montag wurde bekannt, dass ein Richter die Verbraucherbehörden in Niedersachsen eingeschaltet hatte, nachdem ein Bauer in einem Prozess ausgesagt hatte, dass es üblich sei, zu viele Hühner in den Ställen zu halten.

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) bezeichnete die Vorfälle als »Betrug im großen Stil: Betrug an den Verbrauchern, aber auch Betrug an den vielen Biolandwirten in Deutschland, die ehrlich arbeiten«. Sie sieht das Hauptproblem in mangelnden Kontrollen. Die Vorgaben an Biobetriebe seien bereits sehr streng, sie müssten aber auch kontrolliert werden, so Aigner. »Die Kontrollen, für die die Länder ja zuständig sind, können nicht nur vom Schreibtisch aus durchgeführt werden, sondern man muss sich natürlich die Betriebe auch mal vor Ort anschauen«, sagte die Ministerin im Vorfeld eines Treffens der EU-Landwirtschaftsminister in Brüssel.

»Wir müssen in Deutschland den Kontrolldruck bei der Lebensmittelsicherheit deutlich erhöhen«, sagte auch der Vorsitzende des Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, Er kritisierte jedoch die schlechte Mittel- und Personalausstattung durch Bund und Länder. »Uns fehlen schon jetzt über 1000 Lebensmittelkontrolleure, und auch in diesem Bereich ist der öffentliche Dienst überaltert und unterbesetzt.« Auf einen Kontrolleur kämen tausend Betriebe. Zudem werden bei den Kontrollen bisher nur Haltungsbedingungen und Futter geprüft, die Zahl der Hühner wird nicht erfasst. Grünen-Vorsitzende Renate Künast, sagte der ARD, man müsse »einen Weg finden zu zählen«.

Die Umdeklarierung von Eiern lohnt sich für die Betriebe: Nach Angaben von Margit Beck, Analystin bei Marktinfo Eier & Geflügel, kosteten zehn Eier aus Bodenhaltung im Jahr 2012 durchschnittlich 1,20 Euro - für zehn Bio-Eier musste der Verbraucher dagegen durchschnittlich 2,86 Euro bezahlen. Der Verbraucher muss sich darauf verlassen, dass die Kennzeichnung auf der Packung und der Stempel auf dem Ei, der unter anderem die Haltungsart der Hennen angibt, korrekt sind. Die Vorwürfe gegen die Betriebe lauten deshalb nicht nur auf Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch und das ökologische Landbaugesetz, sondern auch auf Betrug. Dafür drohen bis zu sechs Monate Haft.

Aigner und der erst seit einer Woche amtierende niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) forderten ein hartes Vorgehen. Meyer sagte, wenn sich die Vorwürfe bestätigten, müsse betroffenen Höfen die Betriebserlaubnis entzogen werde.

Opposition und Verbraucherschutzverbände stellten das System der Lebensmittelkontrollen in Frage: Christian Wechselbaum von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten forderte eine bessere Kennzeichnung. Der Verbraucher müsse die Herkunft aller Bestandteile nachvollziehen können. Derzeit sind Herkunftsnachweise nur für unverarbeitete Lebensmittel Pflicht, in Fertigprodukten müssen nicht alle Inhaltsstoffe einzeln gekennzeichnet werden.

Mehr Transparenz bei den Kontrollen verlangte Anne Markwardt von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Prüfergebnisse müssten für die Verbraucher einsehbar sein, dann zeigten sich eventuelle Schwachstellen früher.

Die verbraucherpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Karin Binder, sagte, es sei dringend nötig, die Lebensmittelaufsicht in die Verantwortung des Bundes zu geben. Anders sei systematischem Lebensmittelbetrug nicht beizukommen.

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