Jeder kann Wahlbeobachter werden
Datensammlung per MS und Internet
Die Gewalt nach den Wahlen vor fünf Jahren traf Kenia unvorbereitet. Mehr als 1000 kamen damals ums Leben. Diesmal hoffen die Kenianer auf einen friedlichen Verlauf des Urnengangs. Mit einer neuen Internetplattform wollen junge kenianische Softwareentwickler ihren Beitrag dazu leisten: Jeder Wähler hat dort die Möglichkeit, Unstimmigkeiten zu melden. Die Plattform »Uchaguzi« (Kisuaheli für »Wahlen«) will Daten sammeln, verifizieren und entsprechende Interventionen ermöglichen. Ziel ist, die Wahlbeobachtung zu erweitern und die Bürger als wichtige Informationsquelle einzubeziehen.
Per SMS, Twitter, Facebook, E-Mail oder direkt über die Website der Plattform (www.uchaguzi.co.ke) kann jeder seine Beobachtungen melden: das Fehlen von Vertretern der staatlichen Wahlkommission in den Wahlbüros, die Verweigerung von Hilfe für Analphabeten beim Ausfüllen des Wahlzettels, versuchte Wählerbestechung, Hassreden oder aufkommende Gewalt. So könne jeder Bürger zum Wahlbeobachter werden, sagt Wambua Kawive vom Konsortium für politische Bildung zu Verfassung und Reform (CRECO). »Gleichzeitig werden offizielle Wahlbeobachter in der Lage sein, die Informationen zu überprüfen.« CRECO selbst wird je vier Beobachter in jeden der 290 Wahlkreise entsenden. Die lokale Verwaltung hat sich laut Kawive bereit erklärt, bei der Verifizierung der Plattforminhalte zu helfen. Nur bestätigte Berichte würden auf die Plattform hochgeladen und an Sicherheitskräfte und Behörden weitergegeben.
Laut Uchaguzi-Koordinator Daudi Were war die Plattform bereits in Tansania, Uganda und Sambia im Einsatz. »In Uganda und Tansania hatten wir ungefähr 5000 Berichte nach der Überprüfung. In Kenia erwarten wir eine wesentlich höhere Zahl.«
Mehr als drei Viertel aller Kenianer besitzen ein Mobiltelefon. Ende 2007 waren es noch weniger als die Hälfte. Heute hat fast jeder Dritte außerdem Zugang zum Internet. Bei dem Kurznachrichtendienst Twitter ist Kenia das zweitaktivste Land Afrikas. Das traditionell landwirtschaftlich geprägte Land erlebt einen Boom der Informationstechnologie, der ganz Afrika erfasst hat.
Uchaguzi ist nur eines der Projekte des nichtkommerziellen IT-Unternehmens Ushahidi (»Zeugenaussage«), das aus dem Trauma der vergangenen Wahlen hervorging. Eine Handvoll Blogger erdachte zunächst einen Weg, Berichte über Gewaltausbrüche und Friedensinitiativen zu kartieren, die ihnen über Handys und Internet übermittelt wurden. Inzwischen wurde das Konzept weltweit zu einem Erfolg: Die von Ushahidi entwickelte Open-Source-Software wurde schon in mehr als 150 Ländern in Konflikt- und Katastrophengebieten eingesetzt, etwa bei der Überflutung in Jakarta, im Syrienkonflikt und im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen in Kambodscha.
Ein weiteres Projekt mit dem Titel »Umati« (»Versammlung«), an dessen Entwicklung Ushahidi beteiligt war, verfolgt Hassreden auf Internetseiten, in Blogs und sozialen Medien vor den Wahlen. Vor allem Ansprachen, in denen Volksgruppen gegeneinander aufgehetzt wurden, gelten als eine der Ursachen für die Eskalation der Gewalt im Dezember 2007. In der neuen kenianischen Verfassung von 2010 sind Hassreden daher geächtet.
Anja Bengelstorff
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