Hohe Strahlenbelastung in ganz Japan

IPPNW warnt vor Folgen des Fukushima-GAU

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 2 Min.
Die atomkraftkritische Ärzteorganisation IPPNW hat alarmierende Zahlen zu Erkrankungen und Krebsprognosen nach dem Reaktorunfall in Japan veröffentlicht. Kritik übt man an einem beschönigenden WHO-Bericht.

Kurz vor dem zweiten Jahrestag der Atomkatastrophe in Fukushima hat die deutsche Sektion der Ärzteorganisation IPPNW alarmierende Zahlen zu den Folgen der Strahlenbelastung vorgestellt. In der rund 30-seitigen Analyse warnen die Mediziner und Strahlenforscher vor einem Anstieg von Krebserkrankungen. Der IPPNW-Aktivist Winfrid Eisenberg machte auf die Gefahren für die Kleinsten aufmerksam. »Der Embryo als das jüngste Kind trägt durch das schnelle Wachstum der Zellen das größte Risiko«, sagte der Kinderarzt am Mittwoch in Berlin. So sei es nicht verwunderlich, dass es in Japan neun Monate nach der Atomkatastrophe zu einem signifikanten Einbruch der Geburtenzahlen kam. Gegenüber der statistischen Erwartung »fehlten« knapp 4400 lebende Neugeborene, so Eisenberg. Offenbar seien zahlreiche Embryonen im Mutterleib durch die Strahlenbelastung abgestorben. Diese Gefahr betreffe ganz Japan: Nur 209 der ausbleibenden Geburten entfielen auf die Präfektur Fukushima, wo bei über 55 000 Kindern Veränderungen der strahlungsanfälligen Schilddrüsen dokumentiert sind.

Anders als die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die in einem Bericht kürzlich von einer nur geringen Strahlenbelastung in Japan sprach, schlagen die IPPNW-Forscher Alarm. Angesichts der nachweislichen Strahlenbelastung infolge der Freisetzung von Radiocäsium nach dem Reaktorunfall müsse man mit mindestens 41 000 Krebserkrankungen rechnen. Nach erweiterten Risikoberechnungen könnte diese Zahl auf über 80 000 mögliche Krebstote steigen, sagte der IPPNW-Experte für Atomenergie, Henrik Paulitz.

Die WHO-Autoren hätten die Quote der freigesetzten ratioaktiven Partikel zu gering berechnet, kritisiert auch der Kinderarzt Alex Rosen. Zudem sei die Belastung der aus der unmittelbaren Gefahrenzone um den Reaktor evakuierten Bevölkerung ignoriert worden. Den Grund dafür sieht Rosen in einem »augenscheinlichen Interessenkonflikt«: Für die Bewertung der Auswirkungen sei ein Wissenschaftler verantwortlich gewesen, der zuvor für die britische Atomindustrie tätig gewesen sei.

Neu sind solche Vorwürfe nicht. Bereits 1959 unterzeichnete die UN-Organisation eine Vereinbarung mit der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), laut der die Risikobewertung der Atomenergie in WHO-Berichten der IAEA unterliegt, deren Aufgabe die Förderung dieser Energieform zu friedlichen Zwecken ist. Notwendig sei ein kritischer Blick auf die Gefahren, meinen die IPPNW-Vertreter daher. Dies gelte gerade für Deutschland, wo die Atomindustrie wieder an Stärke gewinne.

Der Bericht findet sich im Internet unter: www.ippnw.de.

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