Himmlische Düfte und goldene Paläste

Oman: Das Land, aus dem Sindbad der Seefahrer kam, setzt auf Tradition wie den Aufbau eines modernen Staates

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 6 Min.

Müsste Mohammed sich für eine Lieblingsmoschee entscheiden, die Große Sultan-Qaboos-Moschee in Omans Hauptstadt Maskat käme ganz bestimmt in die engere Wahl. Und sicher nicht nur deshalb, weil sie zu den weltweit größten gehört, obwohl eine überbaute Fläche von rund vier Hektar schon beeindruckend und nicht jeden Tag zu sehen ist. Was jedoch noch mehr fasziniert - zumindest, wenn Mohammed wie ein Normalsterblicher ticken würde - sind die netten »kleinen« Details. Der Lüster, der in der Mitte der 50 Meter hohen Kuppel im zentralen Männergebetsraum alle Blicke auf sich zieht, beispielsweise: 1122 Lampen verstecken sich in dem Schmuckstück. Sie sorgen natürlich auch für Licht, dienen aber wahrscheinlich vor allem dazu, die Unmengen sie zierende Swarovski-Kristalle richtig zur Geltung zu bringen. Oder der 4293,45 Quadratmeter große Gebetsteppich - ein kunstvolles Meisterwerk 600 iranischer Knüpferinnen, die an den 1,7 Milliarden Knoten drei Jahre lang gearbeitet haben.

1992 gab Omans Sultan Quaboos Al Said den Bau der größten Freitagsmoschee in Oman in Auftrag, neun Jahre später war sie fertig. 300 000 Tonnen weißer indischer Sandstein wurden verarbeitet, Unmengen von Marmor, Gold und anderen edlen Materialien. Das Beste vom Besten eben - am Ende hatten sich die geplanten Baukosten von 18 Millionen omanische Rial (33 Millionen Euro) mehr als verdoppelt. Heute zählt sie zu den Sehenswürdigkeiten in Maskat, die kein Gästeführer auslässt. Voller Stolz erzählen sie, dass insgesamt 20 000 Gläubige, Männer und Frauen streng getrennt, in der Anlage Platz zum Freitagsgebet finden. Außerhalb dieser Zeit sind Touristen gern eingeladen, sich von der Pracht beeindrucken zu lassen. Frauen allerdings dürfen die heiligen Hallen und auch die Außenanlagen nur betreten, wenn sie Kopf, Arme und Beine komplett bedecken. Traditionen, und nicht nur religiöse, werden in Oman überall hochgehalten.

Das Sultanat, das etwa so groß wie Deutschland ist, aber nur rund drei Millionen Einwohner hat, unterscheidet sich nicht nur in geografischer, sondern auch in kultureller und wirtschaftspolitischer Hinsicht stark von den benachbarten Golfstaaten. Seit jeher lebte hier ein Volk von Händlern und Seefahrern - einen zumindest kennt wohl jedes Kind aus den Märchen von 1001 Nacht: Sindbad, der von hier zu seinen Reisen aufgebrochen ist. Und märchenhaft kommt den Besuchern aus fernen Ländern noch heute so manches in dem Sultanat vor. Anders als in Dubai, verzichtet man hier beispielsweise auf gigantische Hochhäuser und eine protzige Skyline. Die Omani hängen - von Ausnahmen abgesehen - ihren Reichtum, den sie dem Erdöl verdanken, nicht so an die große Glocke wie in manchem anderen Nachbarland. Öl und Gas spielen selbstverständlich auch hier eine wichtige Rolle, doch geht man mit dem (endlichen) Naturreichtum bedeutend behutsamer um, als anderswo. Damit die Reserven noch drei bis vier Jahrzehnte reichen, hat man deren Produktion gedrosselt. Einen großen Teil des Verkaufsgewinns steckt der Sultan in die Entwicklung einer modernen Infrastruktur. Seit er 1970 seinen Vater, der das Volk 38 Jahre lang wie im tiefsten Mittelalter regierte, mit einem Staatsstreich absetzte, begann er, seine Vision von einem modernen Staat auf den Weg zu bringen. Heute erhalten Mädchen und Jungen die gleiche Schulbildung, die medizinische Betreuung ist kostenlos, Männer und Frauen haben gleiches Wahlrecht, und der Sultan setzt auf das Programm der »Omanisierung«, was beinhaltet, ausländische Fachkräfte bis hin zu Topmanagern durch einheimische zu ersetzen. Dafür wurde in den letzten Jahren das Ausbildungsangebot an der Universität, an Hoch- und Berufsschulen stark erweitert. Ziel ist es, für jeden Staatsbürger einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Bis es soweit ist, wird allerdings noch manch Barrel Öl gefördert werden müssen, denn noch beträgt die Arbeitslosigkeit zwischen elf und 15 Prozent.

Das Konterfei des 72-jährigen Sultans, der in England zur Schule ging und sieben Monate lang im nordrhein-westfälischen Minden in der Britischen Rheinarmee diente, ist überall im Lande präsent. Qaboos Al Said gibt sich gern volksnah und traditionsverbunden. Was ihn jedoch nicht daran hinderte, für seinen 1974 erbauten Stadtpalast Al-Alam große Teile der jahrhundertealten Maskater Altstadt abreißen zu lassen und damit wertvolles Kulturgut für immer zu zerstören. Wo früher prachtvolle Handels- und Herrenhäuser standen, zieht sich heute ein breiter Boulevard entlang, der am ganz in Blau und Gold gehaltenen Palast endet. Glücklicherweise gibt es noch etliche der prachtvollen Villen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die vorbildlich saniert wurden und heute nicht nur als Ministerien genutzt werden, sondern auch zahlreiche sehenswerte Museen und andere öffentliche Einrichtungen beherbergen. 2006 wurde Maskat von der UNESCO als Kulturhauptstadt der arabischen Länder ausgezeichnet.

Wer in Maskat wirklich einen Hauch von 1001 Nacht spüren will, sollte sich im Wirrwarr verwinkelter überdachter Gassen im Mutrah Souk, dem ältesten in Oman, umsehen. Hier findet der Reisende neben allerlei modernem touristischen Kitsch, den kein Mensch wirklich braucht, all das, was in jedem orientalischen Märchen beschrieben steht: Gold und Silber, omanische Krummdolche, allerlei Gewürze, Datteln, Halva, die Leckerei aus Zucker, Honig, Nüssen ... Und über allem liegt schwer der intensive Geruch von Weihrauch und Myrrhe. Die Baumharze, die seit jeher für die Omani erste Wahl gegen jedwede Widrigkeiten des Lebens, wie schlechte Luft und schlechtes Omen, Magenverstimmung oder böse Geister sind, werden von europäischen Touristen eher mit einer Mischung aus Faszination und Distanz beäugt. Nur wenige kaufen die in Plastiktüten abgepackten Wundermittel. Was manchen der ansonsten sehr geschäftstüchtigen Händler in eine Art Abwartestarre verfallen lässt. Zeigt jedoch einer wirkliches Interesse, sind sie sofort hellwach und mit Spaß dabei, den Fremden das Tütchen für einen »gutten Preis« anzubieten, der normalerweise für den Kauf eines ganzen Sackes reichen würde. Natürlich in der Hoffnung, dass der Tourist sich aufs Handeln einlässt. Wer sich nicht traut, ist selber schuld. Wer sich aber drauf einlässt, den lädt der Händler nach für beide Seiten zufriedenstellendem Geschäftsabschluss gern auch mal zu einem zuckersüßen Tee ein und legt noch ein Extra drauf. Denn gastfreundlich sind sie, die Omani.

Wohin auch immer man kommt, trifft man auf offene, freundliche Menschen, die stolz auf ihr Land sind. Es lohnt wirklich, die Schritte ins Landesinnere zu lenken. Denn wer glaubt, hier überall nur auf Wüste zu stoßen, wird baff erstaunt sein. Das Sultanat überrascht mit wild zerklüfteten Hochgebirgen, tiefen Canyons, idyllischen Oasen, weißen Stränden und steilen Klippen entlang der 1700 Kilometer langen Küste am Golf von Oman und dem Indischen Ozean. Alles ist noch (fast) so, wie es Sindbad der Seefahrer einst erzählte.

  • Infos: Oman Tourism, c/o Interface Int:l, Karl-Marx-Allee 91/a, 10243 Berlin, Tel.: (030) 42 08 80 12, www.omantourism.de
  • Reisen in den Oman werden von Spezialreiseveranstaltern wie bedu Expeditionen (www.bedu.de) oder Omanreisen (www.omanreisden.de), aber auch von Studienreiseveranstaltern wie Studiosus (www.studiosus.com) und ab Winter 2014/15 wieder im Rahmen einer sieben- bzw. 14-tägigen Tour durch die Emirate und Golfstaaten unter »Dubai und Muscat« bei TUI-Cruises (www.tuicruises.com) angeboten.
  • Literatur: Oman, Dumont Reiseverlag, 22,95 €
  • Oman ist auf der ITB in Halle 22 b zu finden

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.