Wo nachgebessert werden kann oder sollte
Steuersätze
In den Staaten, in denen es Steuern auf bestimmte Finanztransaktionen bereits gibt, liegen die Steuersätze bei Bruchteilen eines Prozents. Strategisch ist es sinnvoll, zunächst dafür zu sorgen, dass die Steuer überhaupt kommt und dabei einen niedrigen Steuersatz in Kauf zu nehmen, der später angehoben werden kann, und sich nicht im wenig aussichtsreichen Kampf um Maximalforderungen ins Abseits zu stellen.
Keinesfalls sollten die Steuersätze aber hinter die Mindestsätze der Kommission zurückfallen. Forderungen nach deutlich höheren Steuersätzen sind zwar letztlich Papiertiger, sind aber dennoch berechtigt. So schwebte dem US-amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin für seine Tobin-Steuer ursprünglich ein Steuersatz von einem Prozent vor.
Unbegreiflich ist, warum die EU-Kommission bei Transaktionen im Zusammenhang mit dem Ausgabeprinzip nicht einen mindestens ebenso hohen Steuersatz von 0,5 Prozent wie beim britischen Pendant - der Stempelsteuer - vorgeschlagen hat (bei der europäischen Variante wären es 0,25 Prozent, da die EU-Kommission anders als die Briten sowohl Käufer als auch Verkäufer besteuern will).
Ein guter Ansatzpunkt wäre auch ein höherer Steuersatz im außerbörslichen Handel. Damit würde ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, den Handel mit Finanzprodukten auf regulierte Handelsplattformen zu verlagern.
Sinn machen auch eskalierende Steuersätze bei starken Kursschwankungen. Eine Kritik an der Tobin-Steuer war, dass der Steuersatz zu gering sei, um spekulative Attacken auf Währungen zu verhindern.
Derivate
Derivate dienen in der Theorie hauptsächlich der Absicherung von Risiken. Mit Derivaten lassen sich aber mit geringem Kapitaleinsatz große Summen in spekulativer Absicht bewegen. Entsprechend groß wie die Gewinnmöglichkeiten sind dabei auch die Risiken. Deswegen sind Derivate die typischen Zockerprodukte. Es ist daher unverzichtbar, dass gerade auch Derivate besteuert werden und dass dies mit einem ausreichend hohen Steuersatz geschieht. Dabei scheint der von der EU-Kommission vorgeschlagene Mindeststeuersatz von 0,01 Prozent absurd niedrig. Er könnte durchaus höher sein, aber auch in der niedrigen Höhe sind davon bereits erhebliche Rückgänge der Spekulation zu erwarten.
Besonders wichtig ist bei Derivaten die Frage der Bemessungsgrundlage. Nach dem Vorschlag der Kommission ist die Bemessungsgrundlage der Nominalwert, also der Wert der dem Derivat zugrunde liegenden Bezugsgröße. Dies haben Verbände und die Bundesregierung bereits in Frage gestellt und es gibt durchaus gute Argumente dafür und dagegen. Im Vergleich zu anderen Varianten wie dem ökonomischen Wert sichert der Nominalwert aber eine recht hohe effektive Besteuerung. So lag der Nominalwert der ausstehenden außerbörslichen Derivate 2012 bei 639 Billionen US-Dollar, der Bruttomarktwert bei »nur« 25,4 Billionen US-Dollar.
Die Auswahl der geeigneten Bemessungsgrundlage ist eher eine technische Frage für Spezialisten. Der darauf angewandte Steuersatz ist dann aber wieder eine wichtige politische Frage. Der daraus folgende effektive Steuersatz sollte hoch genug sein, um spekulative Derivatgeschäfte spürbar zu belasten.
Devisentransaktionen
Etwas kurios ist es schon, dass Devisentransaktionen im Kommissionsentwurf von der Steuer ausgenommen werden. Damit wird gerade der Vorschlag von Tobin nicht umgesetzt, obwohl der IWF der Devisenbesteuerung die geringsten Umsetzungsprobleme attestiert hat. Diese Herausnahme liegt an der von der EZB übernommenen Rechtsauffassung der EU-Kommission, die auf die in den EU-Verträgen und anderen internationalen Verträgen tief verankerte Kapitalverkehrsfreiheit rekurriert. Rechtsexperten wie der belgische Steuerrechtler Lieven Denys haben allerdings aufgezeigt, wie entsprechende Einwände ausgeräumt werden können. Solange aber nicht die gesamte Eurozone hinter der Finanztransaktionssteuer steht, dürfte eine Devisentransaktionssteuer auch politisch schwer durchsetzbar sein.
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