»Die Energiewende führt zur Deindustrialisierung Deutschlands«

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Die Energiewende gerät in den Medien immer mehr zum Schreckensszenario: zu teuer, zu unsicher, schlecht für den Standort Deutschland. Vor allem die schwarz-gelbe Koalition bläst zur Jagd, um die von einer Mehrheit gewollte Energiewende schlecht zu machen. Was ist dran an den vielen Mythen, Lügen und Argumenten, mit denen die Öffentlichkeit aktuell bearbeitet wird? Die Rosa-Luxemburg-Stiftung stellt den gängigen Behauptungen in einer von Wolfgang Pomrehn verfassten Broschüre Antworten entgegen – was es wirklich auf sich hat mit dem »Armutsrisiko Energiewende?«, lesen Sie hier täglich in einer nd-Reihe.

»Die Energiewende führt zur Deindustrialisierung Deutschlands« (EU-Energiekommissar Günther Oettinger, Cicero vom 9. September 2011)

Die Behauptung:

Hohe Energiekosten verschlechtern die Position der deutschen Industrie und treiben Unternehmen in andere Länder, in denen sie für Strom weniger zahlen. „Denn: Die Energiekosten entscheiden […], ob eine Firma ihre Produktion ins Ausland verlagert.“

Die Fakten:

Für diejenigen, die sich in der letzten Zeit am lautesten beklagt haben, ist der Strom in den letzten Jahren sogar billiger geworden. Industriekunden haben 2012, sofern sie nicht von den diversen Vergünstigungen wie Befreiung von der EEGUmlage und den Netzentgelten profitiert haben, im Durchschnitt nur 13,87 Cent pro Kilowattstunde gezahlt. Der stromintensiven Industrie wurden sogar nur 9,3 Cent berechnet, während private Stromkunden durchschnittlich 25,74 Cent berappen mussten. Für Letztere stiegen die Preise zwischen 2008 und 2013 um fast 7 Cent, für die – nichtprivilegierten – Industriekunden jedoch gerade mal um rund 0,31 Cent pro Kilowattstunde.

Diejenigen, die mit der Abwanderung von Unternehmen drohen, unterschlagen meist, dass nicht jeder Betrieb so ohne Weiteres ins Ausland verlagert werden kann. Das gilt zum Beispiel für die Erdölraffinerien, die zum einen für den hiesigen Markt produzieren und zum anderen nur mit gewaltigem Aufwand umziehen können. Dennoch gehören sie zu den vom Staat privilegierten Unternehmen.

Es stimmt zwar, dass die deutschen Industriestrompreise im europäischen Vergleich ziemlich weit vorn liegen, allerdings nur solange der Durchschnitt betrachtet wird. Die besonders großen Abnehmer hingegen werden nicht nur staatlicherseits mit allerlei Geschenken bedacht, sie können sich auch bei den Anbietern oder an der Strombörse besonders günstig eindecken. Das führt dazu, dass die Preise in Deutschland, wie das Portal Germany Trade & Invest schon Anfang 2011 schrieb, „insbesondere im Bereich sehr großer Abnahmemengen unterhalb des EU-Durchschnitts“ liegen.

Auch ansonsten sind die Differenzen nicht gerade dramatisch. 2010 lagen die hiesigen Strompreise für nichtprivilegierte Unternehmen zum Beispiel mit 11,55 Cent pro Kilowattstunde 1,8 Cent über dem EU-Durchschnitt, jedoch stattliche 2,35 Cent unter dem Preis in Italien. Das jedenfalls besagen die Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums. Nach den Statistiken des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft betrugen die Preise für die nichtprivilegierte Industrie 2010 sogar nur 10,84 Cent pro Kilowattstunde. Die energieintensiven Betriebe zahlten, wie bereits erwähnt, noch weniger.

Außerdem: Dass die Position deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb ernsthaft gefährdet sei, ist ein ziemlich schlechter Witz. Zu einer der Ursachen der aktuellen Eurokrise gehört schließlich, dass Deutschland permanent erheblich mehr ans Ausland verkauft, als es von dort einführt. Dieser Exportboom verweist nicht zuletzt auf die überaus positiven Produktionsbedingungen für Unternehmen in Deutschland, führt aber in der Europäischen Union und auf dem Weltmarkt zu erheblichen Schieflagen.

Die von Wolfgang Pomrehn verfasste Broschüre »Armutsrisiko Energiewende?« ist in der Reihe »luxemburg argumente« erschienen und kann bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden.

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