Prallvolle Konzernkassen
Europas Großunternehmen horten mehr als eine Billion Euro
Das ist selbst Hedgefonds-Managern zu viel. David Einhorn will den US-Elektronikkonzern Apple mit einer Klage dazu bringen, den angehäuften Reichtum zu teilen - wenigstens mit seinen Aktionären. Apple verfügt über Barreserven von knapp 140 Milliarden Dollar. Der umstrittene iPhone-Verkäufer steht an der Spitze, ist aber längst kein Einzelfall in den USA. Auch der IT-Netzwerkspezialist Cisco und die Software-Schmiede Microsoft sowie Google und Coca-Cola horten zweistellige Milliardenbeträge. Vor allem bei Telekom- und Internetfirmen sehen Analysten darin sogar ein Zeichen der Reife: Auf »reifen Märkten« gelinge es nicht mehr, durch Investitionen in Innovationen oder den Zukauf von jungen Garagenfirmen im Kerngeschäftsfeld zu wachsen.
Auch in Europa sitzen die Konzerne auf prall gefüllten Kassen: Im Januar haben die 1000 größten Industrie- und Dienstleistungsfirmen nach Berechnungen der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) bei Barreserven und kurzfristig veräußerbaren Wertpapieren erstmals die Eine-Billion-Euro-Marke übersprungen. Selbst im Krisenland Spanien sind Großunternehmen im Durchschnitt nicht mehr Bankschuldner sondern Gläubiger. Seit dem Tiefpunkt der großen Krise 2008 wuchs der Liquiditätspuffer um 21 Prozent, in der vergangenen Dekade ist sogar eine Verdoppelung zu bilanzieren.
Warum ein riesiges privates Geldgebirge in Europa entstehen konnte, während sich die Staaten immer weiter verschulden, liegt unter anderem an cleveren Steuervermeidungsstrategien. »Durch die Schlupflöcher erhalten große Firmen einen unfairen Vorteil«, kritisiert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert sensibel auf übervolle Konzernkassen, könnten diese doch eine Inflation bei den Vermögenspreisen hervorrufen. In ihrem Monatsbericht warnt die EZB vor »übermäßigen Gewinnmargen« und empfiehlt durch die Blume eine Verringerung »in mehreren Euroländern« durch eine Abschöpfungspolitik der nationalen Regierungen.
Die S&P-Analysten sehen als Hauptmotiv für das Geldhorten eine »starke Vorsicht« in den Vorstandsetagen. Während der Finanzkrise sei es schwerer geworden, an Bankkredite zu kommen. Also horte man Barreserven. Die Rezession in weiten Teilen Europas bremse ebenfalls Investitionen. Und der Trend zu Investitionen in Übersee setze sich zwar fort, doch dauerten dortige Entscheidungen besonders lange.
Auch deutsche Unternehmen wissen oft nicht, wohin mit dem vielen Geld. Vor allem Automobil-, Chemie und Maschinenbaukonzerne wie BMW, BASF oder Linde schwimmen im Kapital, aber auch Versicherer und Banken. So überweist die Hypo-Vereinsbank in diesen Tagen eine Extradividende von einer Milliarde Euro an die italienische Konzernmutter Unicredit. Im Ergebnis werden die 30 DAX-Unternehmen von Allianz bis VW in diesem Frühjahr höhere Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten als im bisherigen Rekordjahr 2007; damals waren es 27,5 Milliarden Euro. Damit wäre aber nur der kleinste Teil der Barreserven ausgegeben. Überlegt wird nun in einigen Vorständen, eigene Aktien zurückzukaufen, um den Börsenkurs zu stützen.
Solche Finanzmarkt-Investitionen wird Ex-Kanzler Helmut Schmidt (SPD) nicht im Sinne gehabt haben, als er einst die Profite lobte: »Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen.«
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