Hoffnung auf einen Solarboom 2.0
Die Preise für Photovoltaik-Module sinken / Profit versprechen vor allem dezentrale Speicherlösungen
Der Niedergang der Solarbranche ist dramatisch. Soeben hat Bosch seinen Ausstieg aus der Photovoltaik verkündet, Siemens hatte selbiges bereits im vergangenen Oktober getan. Andere einst vor Kraft strotzende Solarfirmen, wie etwa Q-Cells, sind zwischenzeitlich unter die Fittiche von zumeist asiatischen Unternehmen geschlüpft, die Aktien des größten deutschen Solarkonzerns Solarworld sind im Keller und selbst in Fernost haben Solarkonzerne massive Probleme. Die chinesische Suntech Power, einst Weltmarktführer, ist pleite.
Wo soll das noch hingehen mit der einst gefeierten Photovoltaik-Branche? Paradoxerweise schlägt die Krise just in dem Moment am heftigsten zu, als die Photovoltaik die Netzparität souverän unterschritten hat: Strom vom Dach ist heute billiger als Strom aus der Steckdose. Da müsste der Markt doch boomen, die Branche florieren - doch weit gefehlt: Der Preisverfall der Module am Markt fand zum Teil auf dem Rücken der Hersteller statt, die ihre Produktionskosten nicht in dem Tempo drücken konnten, wie es vor allem in Deutschland die Politik durch die Kappung der Einspeisevergütungen von ihnen verlangte.
Und doch ist die Photovoltaik nicht tot. Und ihr zweiter Aufschwung wird sogar ohne Fördermittel auskommen. Einzige Voraussetzung dafür ist, dass die Politik nach dem absehbaren Auslaufen der Förderung die Branche nicht noch aktiv belastet. Denn Solarstrom vom Dach ist heute für 15 Cent zu haben - für Strom aus der Steckdose bezahlen Kunden hingegen fast das Doppelte. Wer nun seinen Solarstrom selbst verbraucht, entkoppelt sich damit von den Einspeisevergütungen. Und damit hängt künftig die Frage der Wirtschaftlichkeit der Photovoltaik vor allem an der Frage, wie hoch der Eigenverbrauch des erzeugten Stroms ist. Im Idealfall muss man gar nicht einspeisen - etwa wenn Module auf Supermarktdächern deren Kühlanlagen mit Energie versorgen. Die Photovoltaik hat damit ihre Abhängigkeit vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) überwunden.
Um den Anteil des Eigenverbrauchs zu steigern, bieten sich dezentrale Speicher an - und so sieht die Branche ihre Zukunft nun vor allem in der Kombination von Photovoltaik und Stromspeichern. Denn je größer die Preisdifferenz von Solarstrom (der tendenziell billiger wird) und Netzstrom (der stetig teurer wird) ist, umso attraktiver werden eines Tages dezentrale Batteriespeicher.
Auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg propagiert den Einsatz von Solarstromspeichern. Diese könnten »bei entsprechender Betriebsweise die Netzspannung stabilisieren und die Anschlusskapazitäten für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien im Zuge der Energiewende erhöhen«, teilte das ISE kürzlich mit. So könnten Batterien die Spitzen in der Stromproduktion um bis zu 40 Prozent reduzieren und die Aufnahmefähigkeit der Netze ohne zusätzlichen Ausbau bis zu 66 Prozent steigern. Das ISE war im vergangenen September auch an der Gründung des Bundesverbandes Energiespeicher (BVES) beteiligt.
Auch die Photovoltaik-Hersteller setzen zunehmend auf den Schub durch Stromspeicher. Die Firma Solarworld brachte bereits vor zwei Jahren einen Speicher auf Basis einer Blei-Gel-Batterie auf den Markt. Auch andere namhafte Unternehmen setzen inzwischen auf häusliche Solarstromspeicher, wie etwa der Wechselrichterhersteller SMA zusammen mit dem Systemanbieter Centrosolar. Slogan: »Solarstrom rund um die Uhr«.
Schließlich ist das Ende der Einspeisevergütungen für Neuanlagen absehbar. Aktuell sinkt die Vergütung jeden Monat um 2,2 Prozent; Kleinanlagen, die in diesem April ans Netz gehen, bekommen gerade noch 15,92 Cent je Kilowattstunde, Anlagen über 10 Kilowatt noch weniger. Zu diesen Preisen werden immer mehr Bürger ihren Solarstrom nicht mehr hergeben wollen - das ist nun die große Hoffnung der Solarbranche. Wenn sie sich erfüllt, steht ein zweiter Frühling der Photovoltaik bevor. Oder, wie man heute sagt: Solarstrom Version 2.0.
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