Populistische Saalschlacht
Roland Etzel über den NSU-Gerichtsstreit mit der türkischen Presse
Der Münchner Gerichtssaalstreit ist eine Posse, eine unwürdige obendrein, weil der Prozessgegenstand ernst ist. Der deutsche Amtsschimmel hat die türkische Regierung mit der Nase darauf gestoßen, dass sie hier mühelos populistisch punkten kann, und sie nutzt das weidlich. Sie hätte allen Grund, den Ball sehr flach zu halten, wenn es um Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit von Gerichten geht. Menschenrechtsgruppen, türkische wie kurdische, berichten täglich von Willkür in politischen Prozessen zwischen Anatolien und Bosporus, ohne dass sich die Regierenden dort je darum groß geschert hätten.
Aber die türkische Führung kann sich hemmungslos der Schizophrenie hingeben, weil die deutschen Kollegen es ihr überaus leicht machen. Sie lassen eine untergeordnete Justizverwaltung in ihrer provinziellen Bockigkeit gewähren, so dass eine Strafkammer, wenn sie es denn will, in der Besenkammer landet. Eine Beleidigung menschlicher Vernunft ist es außerdem, dies mit der Freiheit der Justiz zu begründen, als hinge das Urteil der Damen und Herren Richter von der Saalgröße ab.
Wie immer die Schlacht mit der Türkei um den Saal endet: Statt sich in lächerlichen Repliken zu üben - »Es gibt kein grundsätzliches Recht für Politiker auf Teilnahme an einem Prozess« (Kurth, FDP) -, sollten sich deutsche Politiker besser für einen Kurdenprozess in der Türkei anmelden; am besten für den derzeit laufenden.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.