Zwischen Arendsee und Zeitz ohne Frühaufsteherzwang

René Förder stellt 111 besondere Orte in Sachsen-Anhalt vor

  • Kai Agthe
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem Slogan »Wir stehen früher auf« hat sich Sachsen-Anhalt keinen Gefallen getan. Auch jene, die in dem Bundesland leben, verkrampfen die Hände am Lenkrad, wenn der Spruch »Willkommen im Land der Frühaufsteher« an der Autobahn auftaucht. Mit Aufstehgepflogenheiten zu werben, ist reiner Hohn. Denn sie erklären sich mit den langen Arbeitswegen, gar mit der Schlaflosigkeit aufgrund Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst.

Dass Sachsen-Anhalt kein neues, sondern ein sehr altes Bundesland ist, dürfte inzwischen bekannt sein. Auch, was das 1990 aus den Bezirken Halle und Magdeburg hervorgegangene Gebilde zu bieten hat: neben mehr als tausend Jahren Geschichte eine reiche kulturelle Gegenwart. Was abseits der Routen der Entdeckung harrt, stellt der in Dessau gebürtige Autor René Förder vor.

Es geht nicht primär um die Leuchttürme des Landes. Statt des Magdeburger Doms werden das Grab der Editha in diesem und die Paradiesvorhalle vorgestellt. Die 1927 eröffnete Stadthalle in der Landeshauptstadt ist für Förder interessanter als die nur unweit davon gelegene Hyparschale Ulrich Müthers. Auch in Naumburg werden nicht der Dom und die Stifterfiguren präsentiert, sondern mit den drei Elisabeth-Fenstern von Neo Rauch ein Detail desselben. Dafür hat der Autor drei Profanbauten in der Stadt und ihrer Umgebung im Blick: das Nietzsche-Haus, das Stadtmuseum Hohe Lilie sowie das Max-Klinger-Haus.

Richtige Entdeckungen sind so unterschiedliche Sehenswürdigkeiten wie das »Zyklon-B-Mahnmal« in Dessau, wo im Dritten Reich das Giftgas für Vernichtungslager hergestellt wurde; die Wanderdüne in Gommern, die, bevor man Magdeburg nach 1945 wieder aufbaute, 70 Meter hoch war und heute noch 20 Meter misst; ferner die Scherer-Orgel der Kirche St. Stephan in Tangermünde, die 1624 erstmals erklang. Als exotisch darf neben dem Würchwitzer Milbenkäse der Umstand gelten, dass mit Heinrich August Berger der Komponist der Nationalhymne Hawaiis aus Coswig stammte. Und mag das Dorf Fucking auch in Österreich zu finden sein, so gehört Pißdorf nach Sachsen-Anhalt.

In der Kürze, weiß der Volksmund, liegt die Würze. Fakten werden hier nicht nur komprimiert, sondern auch humorvoll formuliert. Das liest sich bei René Förder oft leicht und beschwingt, ist aber bisweilen zu gewollt um Witz bemüht.

Manches wird man auch vermissen. wie die als Kulisse für Historienfilme beliebte Burg Querfurt, den Airpark in Merseburg (die Stadt ist hier leider nicht vertreten) und das Junkers-Museum in Dessau. Doch alles in allem ist René Förder eine schöne Sammlung gelungen. Wer durchs abwechslungsreiche Sachsen-Anhalt-Land reist, sollte das Buch auf jeden Fall mit im Handgepäck haben.

René Förder: 111 Orte in Sachsen-Anhalt, die man gesehen haben muss. Emons Verlag. 228 S., br., 14,95 €.

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