Antieuropäische Reflexe

Katja Herzberg über den noch immer nicht erfolgten Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention

  • Lesedauer: 2 Min.

Es geht um mehr als einen formellen Akt. Die EU hat sich mit Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages Ende 2009 dazu verpflichtet, der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) beizutreten. Doch das ist bis heute nicht geschehen. Nicht, das die EU pauschal keinen Wert auf Menschenrechte legen würde - mit dem Vertrag von Lissabon ist auch die in weiten Teilen mit der EMRK deckungsgleiche EU-Grundrechtecharta für fast alle 27 EU-Mitgliedsstaaten rechtswirksam geworden. Mehr noch als bei den Budgetverhandlungen sträuben sich ein paar EU-Länder - angeführt von Großbritannien - aber dagegen, dass sich die EU auch durch Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) binden lässt. Obwohl auch das Vereinigte Königreich - wie alle EU-Staaten aufgrund seiner Mitgliedschaft im Europarat - der Konvention und der Rechtsprechung des EGMR unterliegt.

Allen voran die Briten zeigen wieder einmal antieuropäische Reflexe. Dabei ist absurd zu glauben, dass die Integrationsuhr in Europa wieder zurückgedreht werden wird. Die einzige Möglichkeit, sich längerfristig einem einheitlichen europäischen Rechtsraum zu entziehen, ist der Austritt aus der Union. Verdeckt wird von der Angst, EU-Recht greife zu stark in nationale Belange ein, im Übrigen die Chance auf Einflussnahme, die aus einem Beitritt zur EMRK erwächst. Die EU würde wie die anderen 47 Europaratsmitglieder einen Richter stellen und Stimmrecht in allen Fragen erhalten, die die Menschenrechtskonvention betreffen.

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