EU-Kommission warnt vor wirtschaftlicher Schieflage

Spanien und Slowenien im Fokus einer Untersuchung zur konjunkturellen Entwicklung

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.
Spanien und Slowenien befinden sich nach Meinung der EU-Kommission in einer riskanten wirtschaftlichen Schieflage. Brüssel fordert ein Umsteuern in der Wirtschaftspolitik.

Die spanische Regierung hat am Mittwoch erneut eine kalte Dusche erhalten. Denn wie von Slowenien hat die EU-Kommission auch von Spanien dringende Korrekturen am wirtschaftspolitischen Kurs verlangt. EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn machte in beiden Ländern exzessive wirtschaftliche Fehlentwicklungen aus, die Gefahren für die Gemeinschaftswährung bergen. »Starkes politisches Handeln ist dringend nötig«, sagte er. Beiden Staaten drohen hohe Strafzahlungen, wenn sie bis zum Monatsende keine glaubwürdigen Pläne zum Umsteuern vorlegen.

Die Kritik geht auf eine Untersuchung von 13 EU-Mitgliedsstaaten zurück, die Rehn vorstellte. Besondere Gefahren für den Euro gehen vom viertgrößten Euroland Spanien aus. Das kleine Slowenien kann mit nur zwei Millionen Einwohnern keine ernsthafte Bedrohung darstellen, weshalb auf »Ansteckungsgefahren« für andere Länder abgehoben wurde, die sich wegen eines »düsteren Konjunkturausblicks« vergrößert hätten.

Die EU-Kommission teilt den Optimismus der konservativen spanischen Regierung nicht. Erst am Dienstag hatte Wirtschaftsminister Luis de Guindos erklärt, am Jahresende werde es zu einer Erholung kommen. 2014 soll die Wirtschaft wieder wachsen und sich die Lage am Arbeitsmarkt verbessern. Als Beleg führte er an, dass das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal mit etwa 0,6 Prozent etwas weniger geschrumpft sei als mit 0,8 Prozent im vorigen. Dabei war dies eher eine Enttäuschung. Denn Ostern fiel in diesen Zeitraum, in dem viele Touristen das Urlaubsland besuchen.

Brüssel kritisierte zudem das Reformprogramm der spanischen Regierung als »unvollständig«. Sogar verabschiedete Maßnahmen entfalteten ihre Wirkung nicht voll, »weil es Verzögerungen bei der Umsetzung« gebe. »Spanien muss den Reformschwung beibehalten«, forderte Rehn.

Die Arbeitslosigkeit ist in Spanien schon auf mehr als 26 Prozent gestiegen. 56 Prozent aller jungen Menschen sind arbeitslos, nur Griechenland steht noch schlechter da. Rehn forderte »durchgreifende Maßnahmen« zur Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen. Moniert wurde auch die hohe Verschuldung. Brüssel missfällt, dass Spanien 2012 das Defizitziel erneut verpasste, obwohl es in zwei Schritten auf 6,3 Prozent angepasst wurde. Zudem wurde Spanien von der Europäischen Statistikbehörde beim Schummeln erwischt. Madrid hatte ein Defizit von 6,7 Prozent angegeben, doch Eurostat setzt es auf sieben Prozent herauf. Steuerrückzahlungen wurden in den Januar hinausgezögert, um das Defizit für 2012 zu schönen.

Als Problem wird auch die hohe Verschuldung von Haushalten und Unternehmen gesehen, womit die Konjunktur zusätzlich belastet werde. Mit steigender Arbeitslosigkeit werden immer mehr Kredite faul. Nach Angaben der spanischen Zentralbank hat die Kreditausfallquote zuletzt mit elf Prozent einen neuen Rekord erreicht.

Die Lage in Slowenien habe sich laut Rehn zuletzt verschlechtert, sei aber »noch beherrschbar«. Das Land gilt als Kandidat für den Eurorettungsschirm, aufgrund hoher Verschuldung und eines maroden Bankensektors. Rehn appellierte an die neue Mitte-Links-Regierung unter Ministerpräsidentin Alenka Bratusek, »schnell und entschlossen zu handeln«. Sie kündigte Reformen an, wies aber zurück, dass Slowenien internationale Hilfe brauche.

Für Slowenien und Spanien, aber auch die elf anderen untersuchten Länder, darunter auch Deutschland, Frankreich und Italien, wird die EU-Kommission am 29. Mai Korrekturempfehlungen abgeben und über die Einleitung von Verfahren entscheiden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.