- Kommentare
- Brüsseler Spitzen
Grüner wirtschaften
Nora Löhle über Bioökonomie
Aufgrund endlicher Ressourcen und des dringenden Bedarfs an Klimaschutz hat Nachhaltigkeit stetig an Bedeutung gewonnen. In diesem Zusammenhang ist auch immer häufiger die Rede von Bioökonomie. So selbstverständlich der Begriff verwendet wird, so unterschiedlich ist jedoch das Verständnis darüber. Die Europäische Kommission beschreibt Bioökonomie als eine Wirtschaft, die auf der intelligenten Nutzung von biologischen, erneuerbaren Land- und Meeresressourcen als Ausgangsstoffe für die Lebens- und Futtermittelherstellung, die Industrieproduktion und die Energieerzeugung beruht.
Im Februar 2012 hat die EU-Kommission eine Bioökonomiestrategie verabschiedet. Sie sieht Investitionen in Forschung, Innovation und Kompetenzen in der Bioökonomie vor. Für eine stärkere politische Koordinierung und Beteiligung der verschiedenen Akteure sind darin regelmäßige Treffen und eine Beobachtungsstelle für Bioökonomie vorgesehen. Diese Stelle wurde nun im März eingerichtet. Nach Ansicht der zuständigen EU-Kommissarin Máire Geoghegan-Quinn würden die EU-Mitgliedsstaaten jetzt »die Chancen ergreifen, die der Übergang zu einer vom Erdöl unabhängigen Wirtschaft auf der Basis einer intelligenten Nutzung von Land- und Meeresressourcen bietet«. In den nächsten drei Jahren sollen anhand von zu sammelnden Daten die Auswirkungen auf die Produktivität, das soziale Wohlergehen und die Umweltqualität untersucht werden.
Die Ziele der Beobachtungsstelle klingen ambitioniert, bleiben zugleich aber abstrakt. Die Kommission erläutert bisher nicht, mit welchen Methoden bzw. Instrumenten sie erreicht werden sollen. Für ein koordiniertes Vorgehen in einem derart komplexen und vielfältigen Bereich wäre zunächst eine ausführliche Beschreibung der Wirtschafts- und Lebensbereiche notwendig, die an diesem Prozess beteiligt werden sollen. So sollten neben bereits etablierten Bioökonomiesektoren wie der ökologischen Landwirtschaft und vereinzelten biochemischen Produzenten ganze Industriebranchen (Ernährung, Pharmazie, Textil und Chemie) sowie die Energiewirtschaft als neue Akteure gewonnen werden. Nur so kann langfristig eine vollständige Bioökonomie erreicht werden.
Zunächst jedoch sollte die Beobachtungsstelle das Verständnis der EU-Länder von Bioökonomie erfragen. Es sind durchaus unterschiedliche Ansichten darüber zu erwarten, inwieweit sie sich eine vollständige Wandlung hin zu einer grünen Wirtschaft vorstellen können. Dabei müsste auch geprüft werden, welche Programme bzw. Leitlinien zur Bioökonomie bereits existieren.
Zudem gilt es, die Idee der Bioökonomie zu verbreiten. Dies gelingt nur, wenn die eingerichtete Stelle - mit aussagekräftigem Informationsmaterial ausgestattet - auf Unternehmen, Verbände, NGOs, Bildungseinrichtungen sowie die Bürger zugeht. Schließlich muss Bioökonomie als unser zukünftiges Wirtschaftssystem durch gut ausgebildete Lehrende in Schulen und Universitäten vermittelt und diskutiert werden. Das Thema darf zukünftig nicht mehr nur in den bereits herausgebildeten Sparten bearbeitet werden, sondern muss von unserer gesamten Gesellschaft diskutiert und verstanden werden.
Dass die EU-Kommission sich das Thema Bioökonomie auf die Fahnen geschrieben hat und die dafür notwendigen Prozesse zwischen den Mitgliedstaaten durch eine neue Beobachtungsstelle vorantreiben möchte, ist begrüßenswert. Jedoch sollte eine solche Stelle nicht nur zur Datensammlung dienen, sondern sich vielmehr als Innovationstreiber verstehen, der neue Sektoren erschließt und technologische Entwicklungen in diesem Bereich fördert.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.