Man muss nur mehr auf der Hut sein

Australische Betrugsopfer von Internet-Romanzen kämpfen um ihren Selbstrespekt

  • Sid Astbury, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Immer wieder fallen Frauen auf Online-Romeos rein, die ihnen auf Partnerbörsen im Netz die große Liebe versprechen. Doch dann wollen die Männer nur eins - die Ersparnisse ihrer Flirtpartnerinnen. In Australien kümmern sich Polizei und Privatdetektive um die Opfer.

Ein Weihnachtsgeschenk brachte sie um ihre gesamten Ersparnisse: Mit dem neuen Laptop hatte sich die Australierin Robyn Fitzpatrick vorgewagt in die Welt der Internet-Romanzen. »Ich dachte, ich gucke mir das Internet-Dating mal an. Alle haben immer davon geredet.« Ein Foto gefiel der 57-Jährigen besonders - das kostete sie im Verlauf von zwei Jahren 60 000 australische Dollar (48 000 Euro). Doch anders als viele andere Opfer, die aus Scham schweigen, will sie potenzielle Opfer warnen.

Die ehemalige Büroangestellte war auf einen angeblichen Italo-Amerikaner namens »Lorenzo« hereingefallen, der sie trotz einer vermeintlich guten Stelle in Südafrika immer wieder um Geld bat. Sie telefonierten viel, doch ein Treffen oder ein Gespräch über Skype ließ »Lorenzo« immer wieder platzen - dann wäre ja aufgeflogen, dass nicht sein Foto auf der Webseite stand. Fitzpatrick überwies ihm dennoch viel Geld, in der Hoffnung auf die große Liebe. »Ich habe das selbst so entschieden. Niemand außer mir ist daran schuld. Das gebe ich ohne Zögern zu.«

Gut getan hat ihr jedoch die Nachricht, dass sie nicht alleine ist mit ihrer Leichtgläubigkeit: Monatlich überweisen Australier über sechs Millionen australische Dollar an Online-Betrüger, die überwiegend in Ghana und Nigeria sitzen. 90 Prozent davon kommen über Online-Romanzen zustande - und Frauen über 45 sind die häufigsten Opfer. Viele verfügen über die notwendigen Ersparnisse und sind zudem neu in der Welt des Internet-Datings. Auch in Deutschland ist das Phänomen bekannt.

Die meisten Opfer kommen mit finanziellen Verlusten davon. Doch im Februar wurde die 67-jährige Australierin Jette Jacobs tot in einem Hotelzimmer in Johannesburg aufgefunden. Bargeld, Kreditkarten, Laptop und Geschmeide waren gestohlen. Jacobs war nach Südafrika geflogen, um einen 28-jährigen Nigerianer zu heiraten, den sie 2009 auf einer Dating-Seite kennengelernt hatte. Die australische Polizei hatte sie in einem Brief warnen wollen, dass sie das Opfer eines Internet-Schwindels sein könnte. Das Schreiben kam erst an, als sie bereits abgereist war.

Fitzpatrick hingegen fand Unterstützung und Beratung bei der Privatdetektivin Julia Robson, die sich auf Betrugsfälle bei Online-Romanzen spezialisiert hat. Die ehemalige Polizistin aus Melbourne vergleicht einige der Opfer mit Spielsüchtigen: »Obwohl es nur eine kleine Chance darauf gibt, dass sie den Jackpot knacken und es sich um einen ehrlichen Verehrer handelt, geben sie weiter Geld und wissen doch tief im Inneren, dass es sich nie auszahlen wird.«

Brian Hay von der Polizei im Bundesstaat Queensland kennt das auch: Er leitet eine Selbsthilfegruppe von 120 Online-Betrugsopfern in Brisbane. Einige der Frauen, erzählt Hay, senden immer noch Geld an ihren kriminellen Internet-Charmeur, obwohl sie es besser wissen. »Es ist eine traurige Realität, dass es eine Menge extrem einsamer Menschen gibt.«

Julia Robson hat Fitzpatrick nicht nur über die Methoden der Betrüger aufgeklärt, sondern mit ihr auch über ihre Schwächen gesprochen, die sie besonders anfällig für den Liebesbetrug machten. Nun ist Fitzpatrick wieder auf der Suche nach einem Mann - auch im Internet. »Ich bin einfach vorsichtiger«, sagt sie. »Wenn es so sein soll, dass ich für mein restliches Leben allein bleibe, dann ist es halt so. Aber wer weiß, wer sich da draußen so findet. Man muss einfach nur mehr auf der Hut sein.«

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